Ein politisch inkorrekter Sprachtipp:
Zigeuner, Sinti und Roma, und das generische Maskulinum

Stellen Sie sich vor, wir hätten kein Wort für WC, nicht Toilette, Klo oder Abort. Es gäbe nur die »Damen« und die »Herren«. »Wo, bitte, gehts hier zu den Damen und Herren?«, müsste man in seiner Not fragen. Sie lachen. Für Studentinnen und Studenten gibt es seit ein paar Jahren die Studierenden – was sich für mich persönlich fast zu fleißig anhört, nun denn: Die Studentenrevolten waren halt keine Studierendenaufstände. Für weibliche und männliche Geburtshelfer von Beruf, für Hebammen beiderlei Geschlechts, gibt es kein zusammenfassendes Wort. Ich hätte nichts dagegen, einen jungen Mann eine Hebamme zu nennen, wo doch eh niemand mehr die Hebamme mit Amme und die mit Leihmutterbrustverköstigung assoziiert. Auch gegen einen Hebammer hätte ich wenig, obwohl das doch etwas hart nach Hammer klingt. Es gibt auch Hexer. Nur die Wahl unseres geschätzten Gesetzgebers: »Entbindungspfleger«, die klingt wirklich zum Abgewöhnen! Stellen Sie sich nur den drängenden Ruf einer werdenden Mutter nach »einer Hebamme oder einem Entbindungspfleger« vor. So etwas will keiner!
   Doch kommen wir auf die Sinti und Roma, um die Geschichte zu entfeminalisieren, denn es liegt mir fern, sprachlichen Feminismus allein zu kritisieren. Was wir brauchen sind Allgemeinbegriffe, die man auch nutzen kann. So bürgert es sich ein – vorgeblich politisch korrekt –, Zigeuner
»Sinti und Roma« zu nennen, angeblich, weil es die Benannten so lieber haben. (Schreiben denn die meinen Text? Siehe dazu meinen Tipp 69). Gut und vielleicht schön, aber wie nenne ich nun beide zusammen? Eine arme, bettelnde Frau mit ihrem Kind auf der Straße kann ich doch nicht »eine Sinti und Roma mit Kind« nennen, oder »eine Sinti oder Roma mit Kind«?*
   Ob grammatikalisch männliche Ausdrücke für Berufe, für Menschen allgemein – etwa Ausländer, Christen und Juden –, oder bei Allgemeinausdrücken für Volksgruppen, immer muss ich als Schreiber doch annehmen dürfen, dass sie beiderlei Geschlechts gemeint sind. »Lieber Leser!«, ja, das liest doch eine Leserin dann auch. Ausländerfeindlichkeit, wendet sich die nur gegen Männer? »Hochgeschätzte Teilnehmer!«: Gerne füge ich da »und Teilnehmerinnen« ein, wenn ich eine Rede halte und sehen kann, ob auch solche dabei sind. Schriftlich müsste ich exakt formulieren: »Hochgeschätzte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wenn aber nur Herren im Kurs sind, bitte ›hochgeschätzte Teilnehmer‹, sollten nur Damen anwesend sein, dann ›hochgeschätzte Teilnehmerinnen‹, und wohlgemerkt, sofern Kinder im Raum sind, so mögen sie sich doch auch angesprochen fühlen, selbst wenn sie noch etwas zu jung sind, um als ›Herren‹ oder ›Damen‹ angesprochen zu werden, ...« und so weiter in der Rede. Das generische Maskulinum, wies die Linguisten zu nennen pflegen, hier »Teilnehmer«, ist einfach geschlechtsübergreifend zu verstehen. Sonst entstehen Langwörter, die dann nach ihrem zweiundzwanzigsten Auftreten nur mehr undeutlich genuschelt als, zum Beispiel, »Christinen un’ Christen«, von der Kanzel kommen.
Sie merken: So geht es nicht. Lassen Sie uns bei alten Konventionen bleiben, so dass beim Wort »Zigeuner« wie schon immer ein Sinti oder ein Roma (oder vielleicht sonst ein fahrender Gesell) gemeint sein kann, oder eine Sinti oder eine Roma (oder vielleicht sonst eine fahrende Gesellin), und beim »Radfahrer« Geschlecht, Alter oder innere Einstellung zu Sprache und Feminismus des Radlers offen bleiben; ein Radfahrer eben, sui generis.

Tipp: »Namensrecht« – Personennamen
Tipps: Wie man Ortsnamen schreibt und »nationale Orte« oder »das italienische Brixen«
Meine Sprach- und andere Tipps
Fritz@Joern.Dewww.Joern.De – ©Fritz Jörn MMIV
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* Dazu schreibt mir Manuel Werner von //Membres.Lycos.Fr/Manusemper aus Nürtingen:
   »Sinti« ist Plural. Es heißt eine »Sintezza« oder »Sintizza«, oder, wenn es ein Mann ist, ein »Sinto« oder »Sintu«. Die Einzahl von »Roma« ist »Rom«. Dann verweist er noch auf das Heidelberger Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma, www.Sinti-und-Roma.De. Danke!