Seit dem 30. Jänner 1981 wird wieder durchgekoppelt!

Die Wiener Straßennamen und das Durchkoppeln

Wie mir der Wiener Senatsrat Dr. Helmut Kretschmer aus der Feder der Sachbearbeiterin Dr. Brigitta Psarakis am 21. 1. 2002 mitteilt, hatte der Wiener Stadtrat 1907 erstmals eine einheitliche Schreibweise der Straßennamen beschlossen. »Diese Regelung hatte bis Ende Jänner 1981 Gültigkeit. Nach der Neuregelung (Gemeinderatsbeschluss vom 30. 1. 1981) wird auch in Wien durchgekoppelt.«
   Kurios an der deutschen Rechtschreibung war nämlich, dass neben der
Frankfurter »Johann Wolfgang Goethe-Universität«, die schon 1914 orthographisch falsch gegründet worden war, nur die Wiener ihre Straßennamen nicht richtig durchkoppelten. Es müsste »Johann-Wolfgang-Goethe-Universität« und »Franz-Kafka-Platz« heißen, ebenso übrigens wie »40-MByte-Festplatte« oder »Raukensalat-Teller«, wenn schon. Anlässlich der neuen Rechtschreibung wird nun seit Ende Januar 1981 auch in Wien durchgekoppelt, wie wir erst heute so richtig erfahren ...
   Sehen wir uns das Amtsblatt mit der »Stadtrats=Sitzung« (In
Fraktur trennt man mit einem =) vom 19. Juni 1907 einmal an. Punkt 2 erlaube ich mir, fett hervorzuheben. Insgesamt jedoch scheint die Angelegenheit so wichtig nicht gewesen zu sein, denn:

(Vize-Bürgermeister Dr. Neumayer übernimmt den Vorsitz.)
(8533, M. A. XVI, 1766.) St.-R. Brauneiß referiert über die einheitliche Schreibweise der Straßennamen und beantragt, die vom Magistrate gegebenen Vorschläge bei Neunumerierungen und bei Anbringung neuer Straßenaufsichtstafeln in Anwendung zu bringen.
   Diese Vorschläge sind:
   Bei Neu- oder Umbenennungen werden Verkehrsadern, welche eine Breite von mindestens 20 m haben und einem stärkeren Verkehrsbedürfnisse dienen, als Straßen bezeichnet.
   Weiters werden für die einheitliche Schreibweise der Namen von Gassen, Straßen und Plätzen folgende Grundsätze aufgestellt:
   1. Ist das Bestimmungswort ein einfaches Hauptwort, so sind es mit dem Gattungsworte (Gasse, Straße, Platz) zusammengezogen (Postgasse).
   2. Besteht das Bestimmungswort aus mehreren Hauptwörtern (Vor- und Zuname, zwei Vornamen, Titel und Name), so wird zwischen dem Bestimmungsworte und dem Gattungsworte, nicht aber zwischen den Teilen des Bestimmungswortes ein Bindestrich gesetzt. (Johann Nepomuk Berger-Platz; Anton Frank-Gasse; Kaiser Franz Josef-Straße.)
   3. Enthält das Bestimmungswort Beiwort und Hauptwort, so werden dieselben in der Dativendung mit dem Gattungsworte zusammengezogen. (Rotenlöwengasse, Rotenturmstraße.)
   4. Das bestimmende Eigenschaftswort wird getrennt geschrieben (Lange Gasse, Hohe Warte.)
   5. Von Ortsnamen mit der Endung »er« abgeleitete Bezeichnungen gelten als Eigenschaftswörter. (Leipziger Straße, Hütteldorfer Straße.)
   6. Das dem zusammengesetzten Gattungsworte beigesetzte Eigenschaftswort wird getrennt und unverbunden geschrieben. (Große Mohrengasse, Obere Bahngasse, Kleine Neugasse, Rechte Bahngasse, Döblinger Hauptstraße, Prager Reichsstraße.)
   7. In der Regel erhalten vor dem Gattungsworte männliche Vornamen das »s« des Genitives und weibliche Vornamen die Endung »en«. Vor Straße fällt das »s« immer weg. Im allgemeinen ist maßgebend das Sprachgefühl und der Wohllaut. (Karlsplatz, Josefsgasse, Prinz Karl-Straße, Karolinenplatz, dagegen Johannagasse, Rosinagasse.)
   8. Es ist ein amtliches Verzeichnis der Gassen, Straßen und Plätze von Wien durch die Direktion der städtischen Sammlungen anzulegen.
   9. Die von Gattungsnamen abgeleiteten älteren Straßenbezeichnungen sind entsprechend der neuen Rechtschreibung abzuändern, und zwar im amtlichen Verzeichnisse sofort und auf den Straßentafeln nach Maßgabe ihrer Auswechslung.
   10. Bei Anlegung des Verzeichnisses ist hinsichtlich der Straßennamen mit lokalem Charakter auf den etymologischen Ursprung derselben zurückzugreifen, soweit nicht eine wesentliche Umgestaltung des Namens verbunden ist.
   11. Für die Straßenaufschrifts- und Orientierungsnummerntafeln ist die Frakturschrift beizubehalten. (Angenommen.)

Eben erreichen uns noch die Einzelheiten des Beschlusses vom 30. Jänner 1981.
Das Amtsblatt unter Pr.Z. 28, P. 53: In Abänderung und Erweiterung des Stadtratsbeschlusses vom 19. Juni 1907 über die einheitliche Schreibweise der Namen von Gassen, Straßen und Plätzen werden künftig die Grundsätze der Wiener Nomenklaturkommission für die Schreibung von Verkehrsflächenbezeichnungen und sonstigen geographischen Namen in Anwendung gebracht (Beilange Nr. 102).

Und das sagt Beilage Nr. 102/1981:

Grundsätze der Wiener Nomenklaturkommission

Verkehrsflächenbezeichnungen
1. Verkehrsflächenbezeichnungen bestehen in der Regel aus einem Grundwort (-straße, -gasse, -platz, -ring, -weg usw.) und einem Bestimmungswort zur näheren Kennzeichnung der Verkehrsfläche.
2. Das erste Wort eines Straßennamens wird  g r o ß  g e s c h r i e b e n , ebenso jedes zum Namen gehörende Eigenschafts- oder Zahlwort (z. B. Lange Gasse). Das gilt auch, wenn zu Eigenschafts- und Hauptwort Präpositionen hinzutreten (z. B. An den Alten Schanzen).
3.1. Z u s a m m e n  schreibt man Zusammensetzungen aus einem einfachen oder zusammengesetzten Hauptwort (auch Eigennamen) und einem Grundwort (z. B. Thaliastraße, Aspernbrückengasse, Beethovengang) sowie Zusammensetzungen aus einem ungebeugten Eigenschaftswort und einem Grundwort (z. B. Hochstraße).
3.2. Z u s a m m e n  schreibt man auch Verkehrsflächenbezeichnungen nach geographischen Namen, die auf -er enden (z . B. Hannover-Gasse), oder wenn Ableitungen solcher Namen Personen bezeichnen (z. B. Lothringerstraße).
4. G e t r e n n t  u n d  o h n e  B i n d e s t r i c h  schreibt man Zusammensetzungen eines Grundwortes mit einem gebeugten Eigenschaftswort oder einer adjektivischen Ableitung eines Orts- oder Ländernamens auf -er oder -isch (z. B. Kurze Gasse, Währinger Straße).
5.1. Der  B i n d e s t r i c h  steht, wenn die Bestimmung zum Grundwort aus mehreren Wörtern besteht; so bei Eigennamen (z. B. Johann-Nepomuk-Berger-Platz) und bei Bezeichnungen, die topografische Situationen wiedergeben (z. B. Stock-im-Eisen-Platz, Laaer-Berg-Straße). – Bei Neubenennungen nach Personen sollte auf akademische Grade und Titel generell, auf Vornamen nach Möglichkeit verzichtet werden.
5.2. Der  B i n d e s t r i c h  steht nicht, wenn die Bestimmung aus einer Wortgruppe besteht und kein Grundwort vorhanden ist (Am Hof, An der Langen Lüssen), oder in jenen Fällen, in denen die Verbindung von Bestimmungs- und Grundwort durch ein Eigenschaftswort näher definiert wird (z. B. Obere Donaustraße, Linke Wienzeile).

Sonstige geographische Namen
1. Im allgemeinen gelten die heutigen Rechtschreibregeln.
2.1. Z u s a m m e n  schreibt man im allgemeinen Zusammensetzungen aus Grundwort und einfachem [sic!] oder zusammengesetzten erdkundlichen Namen (z. B. Donauhafen).
2.2. Z u s a m m e n g e s c h r i e b e n  werden in der Regel Zusammensetzungen mit Groß-, Klein-, Ober-, Unter- (z. B. Unterbaumgarten, Oberdöbling), soweit dem nicht die amtliche Schreibung (Amtliches Ortsverzeichnis) entgegensteht.
3.1. B i n d e s t r i c h e  setzt man, wenn die Bestimmung zum Grundwort aus mehreren oder mehrteiligen erdkundlichen Namen besteht (z. B. Rhein-Main-Donau-Kanal).
3.2. B i n d e s t r i c h e  stehen im allgemeinen bei näheren Bestimmungen, die einen [sic!] Ortsnamen nachgestellt sind, soweit nicht der Amtsgebrauch entgegensteht (z. B. Inzersdorf-Stadt, aber Wien Süd, weil so amtlich).
3.3. B i n d e s t r i c h e  stehen auch, wenn ein geographischer Name aus zwei geographischen Namen zusammengesetzt ist (z. B. Wien-Donaustadt, Rudolfsheim-Fünfhaus).
4. Es steht  k e i n  B i n d e s t r i c h , wenn Sankt (St.) Teil eines erdkundlichen Namens oder seiner Ableitung auf -er ist (z. B. St. Marx, St. Marxer Linie). Er steht auch nicht bei Ortsnamen, denen die Bezeichnung »Bad« vorausgeht (z. B. Bad Vöslau). Wird jedoch ein Ortsname oder ein Heiligenname mit Sankt (St.) Bestandteil eines mehrgliedrigen geographischen Namens, so sind alle Wörter der Aneinaderreihung mit  B i n d e s t r i c h e n  zu verbinden (z. B. Unter-St.-Veit, St.-Agnes-Bründl).

Soweit Wien und seine Straßennamen. Wer mehr dazu wissen will, lese von Peter Csendes und Wolfgang Mayer »Die Wiener Straßennamen« in den »Wiener Geschichtsblättern«, Beiheft 2 (1987).

Ein Bericht des Kurier vom 21. 12. 1999
Wiener Straßennamen und ihre Geschichte, auch hier.
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