Das runde r

Man verzeihe mir, wenn ich hier »das R« klein geschrieben habe: Es geht in der Tat nur um das geschriebene kleine r, in lateinischer Handschrift (nicht Sütterlin und dergleichen).
   Sie werden – wenn Sie im deutschen Sprachraum zur Volks- oder Grundschule gegangen sind – das erste, das sozusagen senkrechte r, kennen. Es sieht aus wie ein Häkchen.
   Italiener und Franzosen lernen aber ein anderes r, hier oben und links in der zweiten Zeile zu sehen. Ich meine, es heißt »rundes r«.
   Damit es die Schüler nicht zu schwer haben, wird jeweils immer nur das eine oder das andere r genommen, durchgehend. In diesem Sinn unterscheiden sich diese r-Schreibungen mit dem kleinen s in Fraktur und Sütterlin. Dort musste man wissen, wann langes und wann rundes s zu setzen waren. Ich gehe darauf in meiner
Fraktur-Seite ein, schlage Ihnen auch gerne ein Wort im letzten Fraktur-Duden von 1941 nach.

etc. Was mir neu war: Das runde r gibt es auch im Frakturschriftsatz, aus alten Zeiten – wo man wohl auch nicht so mathematisch genau nach Regeln setzte, sondern oft nach Gefühl und Platz. Bei einer so ausgesprochen sparsamen Variante wie dem runden r (auch Rund-r genannt) kann ich mir gut vorstellen, dass es immer dann eingesetzt wurde, wenns schnell gehen sollte oder Platz in der Zeile knapp war. Das bekannteste Beispiel ist das Et-cetera-Zeichen, hier als rc, fälschlich als relinquo cetera gedeutet. (Es scheint laut Tschichold: Formenwandlugen des ET-Zeichens, dort ab Zeichen 49, auf ein lateinisches Kürzel zurückzugehen). Mehr darüber finden Sie bei Bernhard Schnelle, unter »Das runde r in älteren gebrochenen Schriften«. Eine weitere Deutung stammt vom »Bund für deutsche Schrift und Sprache«. Auch Patrick Sahle macht sich so seine Gedanken: »Setze ein rundes r hinter Buchstaben mit runder Form und ein senkrechtes r hinter Buchstaben, die nicht mit runden Formen enden.« – Nun, Frakturüberschriften werden heutzutage sogar schon von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ohne langes s gesetzt, da mag erst recht das runde r ruhen ...

Tintin: «Et quelques heures plus tard ...»

 

»Und einige Stunden später ...« aus Hergé, Les aventures de Tintin, «Objectif Lune», 1950, vermutlich nachkoloriert, p 19 (oben aus demselben Heft, p 54)

Zur Fraktur-Seite – dort weitere Links wie:
Die
Geschichte des langen s

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P. S. Leider bringen auch manche Computer-Schreibschriften nur das für uns ungewohnte runde r, probieren Sie mal (in Word) »Bickley Script« (mit unleserlichem I – soll ein großes I sein), »Brush Script MT« (der Siebener am Ende soll ein großes T sein), ebenso »Casmira«, natürlich auch »French Script MT« oder »Gigi« (hier das r), von »Harlow Solid Italic« ganz zu schweigen. Da gibt’s auch noch »Kunstler Script« (Künstler ohne ü), »Mistral« , »Palace Script MT«, »Radagund« mit rundem r, rundes »Rage Italic« und »Script MT Bold«, »Vladimir Script« und sicher noch viele andere. Wenn Sie Glück (oder MS Windows) haben, so sehen Sie die Muster hier aktiv eingeblendet. Übrigens: MT steht für Monotype.