Völlig losgelöst

Lösungen kennen wir aus dem physikalischen Chemie der Oberrealschule. Da löste sich etwas auf und ward nicht mehr gesehen. Auch Lösungshefte gibt es, für die Mathematikaufgaben und heute fürs Computerspiel. Damit lösen sich Gleichungen und die Rätsel von Adventure-Games leichter. Inzwischen aber hat das Marketing »Lösungen« entdeckt, und nichts ist mehr, was es war: Software, Hardware, notfalls ein Server oder ein System, unter dem man sich schon früher nichts hatte vorstellen können, alles ist heute Lösung, und zwar pur. Technik, pardon, so falsch wie ständig heißt es natürlich Technologie, die löst etwas – nur was, das weiß man nicht. Es gibt »schlüsselfertige« Lösungen – »schüsselfertige« könnte man sich noch vorstellen, Tütensuppen etwa. Meist lösen Lösungen ganze »Bereiche«, und wenn nicht, so mindestens epochale »Herausforderungen«. Sind Lösungen bitförmig, dann heißen sie Anwendungen, wie die kalten Güsse im Kneippbad. Die wenigstens sind wirklich wirksam – was man vom Gerede über Anwendungslösungen nicht sagen kann.

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Diese Glosse erschien am Dienstag, 24. Oktober 2000, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
© Fritz Jörn und Frankfurter Allgemeine Zeitung. Alle Rechte vorbehalten.

Sprachtipp »Dumme Lösungen, aufgelöst«
Fritz@Joern.De©Fritz Jörn MM
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