Einfacher Stil

Sender: rschaerl@trmx3.dot.ca.gov

Fritz, Wie geht es Euch alle? Hoffentlich gute. Ich war in der Schweitz fuer 10 tage am anfang April. Dass Wetter ware night wie Kalifornian. Die verwanted sind noch alle gut gesund. Tzwei tagen habe ich mit cousine verbracht in Zermatt and Saas Fe fur zum Snowboarde. Fantastisch! Die Alpen sind Atmenraubend! Ich hatte auch noch zeit Geni (und Evi) Mattman zu besuchen (ein kinder freund von Hugos). Ich habbe aber etwas gelehrnt... Die Europaer haben viel mehr fehrien. Bis Nexten mal. Tschuess. Reto

Soweit das kalifornische Originalschreiben aus Sacramento, ohne Retuschen. Reto ist der Sohn meines schweizer Freundes Hugo Schaerli in Los Gatos und schon in Amerika geboren. Deutsch hat er nie richtig gelernt, dafür kann er noch Schweizerdeutsch - was man ja selten schreibt.

Warum ich Ihnen seine E-Post als Sprachip binge?

Zum Schmunzeln, zur Stil-Zeigen: Denn auf den Stil kommt es an! Da mag man noch so viel kritteln an Rechtschreibung, an alter oder neuer, noch so leicht Tippfehler finden, was ist das gegen die Wirkung des ›Stils‹. Nur leider läßt sich Sprachstil weniger festmachen, Regeln sind dort rarer; und trotzdem beurteilt man jedes Schreiben, jeden Text, jede Rede unbewußt nach dem Stil.

Was ist Stil? Beim Stil geht's um ganze Sätze, nicht nur um Wörter. Erstens Sprachhöhe: hochgestochen-edel, getragen oder - wie bei Reto - einfach und freundlich, mit kurzen Sätzen. Dann: Bleibt die Sprachhöhe gleich, oder wechselt sie? Kommt Dialekt vor, Landschaftliches? Rhythmus: Läßt sich der Text laut lesen? Klingt er gut? Eine gute Sprachmelodie ist das schwerste. Zuletzt vielleicht Dinge wie Länge, Dichte des Inhalts, Klarheit.

Sie merken: Ich komm' aufs Glatteis, müßte ein Buch schreiben. Macht nichts: Eine Anregung ist's gewiß gewesen, ein Tip!

»Klassische« Literatur: »Stilkunst« von Ludwig Reiners (1896-1957). München 1943, Sonderausgabe 1980. Und: »Stilfibel«, München 1971

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Fritz@Joern.De - www.Joern.De - ©Fritz Jörn MIM

Das Buch

Jedes Buch ist ein Zwiegespräch zwischen Autor und Leser. Wer etwas schreibt, muß sich einen Zuhörer vorstellen, und die Art, wie er diese Figur vor sich sieht, der Blick, den er über seinen Schreibtisch zu ihr hinüberschweifen läßt, ist entscheidend für den Stil, fùr den Rang des Buches.

Ludwig Reiners