Diese Tagebucheinträge entstanden während einer Fahrt mit dem Auto nach Santiago und zurück. Pilger und Reisende, die an Land und Leuten interessiert sind, sollten sich lieber – statt hier weiterzulesen – eines der zahlreichen Bücher zu Santiago zulegen – etwa den 2006 erschienenen Wanderbericht von Kerkeling, »Ich bin dann mal weg« – , sehr schön auch als Hörbuch.
       Ich war damals in einer besonderen beruflichen Lage, bezahlt vom Debis-Systemhaus – das es nicht mehr gibt –, jedoch »freigesetzt«. Das Benzin für meinen luxuriösen Dienstwagen bekam ich nach wie vor vom Arbeitgeber, aber nur bei Shell mit Karte; deshalb die häufige Suche nach diesen Tankstellen. Auch war meine »direkte« Telefonnummer bei Debis noch jahrelang auf mein Handy weitergeleitet, was immer mal wieder zu Fehlanrufen führte. Die »Frau«, die mich nach Santiago begleitete, war nur die Stimme des Navigationssystems, das ich bei dieser Gelegenheit testete. Die Aufzeichnungen habe ich damals direkt in meinen Laptop getippt, Modell IBM Thinkpad Butterfly. Den Butterfly – getunt von Hantz – nutzte ich mehrere Jahre als einzigen Rechner. Auf der Reise verband ich mich gelegentlich mühsam über Modem mit Compuserve, dem ersten bekannten Maildienst. Hotspots oder schnelle Mobilfunk-Datenzugänge waren 1999 noch unbekannt. Inzwischen leidet auch die Lesbarkeit dieser Website, denn für HTML werden die Bildschirme relativ immer größer. Man verkleinere sich das Browserfeld oder vergrößere die Schrift mit ›Ansicht, Schriftgrad‹ oder Strg++. (Ich habe mich jetzt einmal versuchsweise mit einem
    <ul style="width:600px"> beholfen, vgl. Quellkode. fj April 7)

    Santiago de Compostela

    1. Tag, Donnerstag, 11. 11. 1999, Bonn-Blois

    Bonn

    Die Pilgerreise, die eigentlich keine ist, weil sie ganz mit dem Auto geht, diese trotzdem langersehnte Reise ans westliche Ende Europas sollte heute fromm beginnen. Für mich ist Santiago de Compostela ein Traum – habe ich doch Santiago im Jahr 1974 nicht erreicht, weil es an der Küste einfach zu viele Kurven dorthin waren. Nun, im Mai 1975 kam mein Sohn Nils zur Welt, auch eine schöne Erinnerung an Nordspanien ...
        Diesmal aber, allein unterwegs, will ich Santiago erreichen. Ich bin sozusagen »between jobs«, das erleichtert die Terminlage, und ich bin seit zwei Jahren neu verheiratet, das bringt neue Toleranz für solche Privatvergnügungen.
        Ich hatte mir die Frühmesse in der Bonner Elisabethkirche um fünf vor acht vorgenommen – wirklich früh ist das ja nicht –, fand aber die Kirche verschlossen. Das kommt davon, dass man nicht zur Vorbereitung übt, dass man nicht weiß, wie’s geht. Also bekam Gisela stattdessen noch einen Abschiedskuss mehr.
        Der Vormittag ging noch drauf mit Büroarbeit und dem zeitaufreibenden Versuch, Shell-Tankstellen auf dem Weg aus dem Internet zu ziehen, wegen meiner Shell-Plastikkarte. Mittags aber dann los!
        Der Tag, neun Grad etwa, ein typischer Spätherbsttag. Der Regen der Nacht weicht aromatischer Morgenluft. Die Sonne müht sich, schafft’s aber nur morgens und abends – was meine Theorie von der »flachen Erde« bestärkt. Sonst liegen immer Wolken darüber.
        Ja, und ich hatte am Mittwoch, dem Vortag, noch einen Aldi-PC gekauft; gewiss keine kontemplative Vorbereitung auf eine Pilgerreise, sondern vergebliche, frustrierende nächtliche Versuche, Daten zu kopieren.
        Das liegt jetzt hinter mir. Ich sitze in Blois an der Loire, im doppeltgesternten Spitzenhotel »Le Monarque« für 230 Franken (67 Mark), leicht berauscht vom halben Liter Pinot Noir, unter dem es hier keinen Roten gibt. Das Essen war klein und fein, vom pochierten Ei auf Toast über das seignante Steak bis zu den Käsemüsterchen.

    Mit Auto-Pilotin

       Zurück aber zur Fahrt. Ich hatte als alter Techniktester ja noch die Autopilot-CD von Frankreich in den Leser im Kofferraum geschoben, was sich aber als nutzlos herausstellte. (Die Scheibe lässt sich nur bei eingeschalteter Zündung wechseln. Und die Frau bleibt danach eine viertel Stunde lang stumm, bis die [alte] Sprache neu geladen ist. Nur Daimler weiß, warum – genaugenommen Blaupunkt.) In der Anzeige stehen Luftkilometer. Für Flieger mag diese präzise Angabe der Entfernung in Luftlinie interessant sein, 853, 852, 851 ..., laufend und auf den Kilometer genau, aber Autofahrern, jedenfalls Weitreisenden, hilft sie nichts. Bordeaux hatte es dreimal gegeben – eine gewohnte Zwickmühle bei Navigationssystemen –, und ich hatte mutig und geographisch ungebildet »Gironde« als nähere Angabe gewählt. Sofort sah ich, wie weit ich hätte fliegen müssen. Wieso muss man Landschaftsnamen kennen, wenn man sich zur Hilfe Satellitennavigation kauft? Um nicht wieder drauf zu kommen: In Deutschland und Belgien zeigte die Franzosen-Scheibe »nicht kartiert« an (»off road«), in Frankreich »können keine Fahrempfehlungen gegeben werden«, nirgends! (Kryptisch: »no rte«, was wohl »no route« heißen mag). Nur einmal, ganz kurz in Paris, da hat sie mich den Stadtring wieder zurück fahren lassen Richtung Bonn, bis mir’s dann zu dumm wurde und ich nach Fragen an einer Tankstelle reuig von Hand umkehrte. (Am Rückweg war’s besser, siehe dort.)
        Also: Ich kam in Bonn um zehn nach zwölf erst los. Schöner Herbst, bunte Blätter, dampfende Kraftwerke. Die einzige Kasteiung, die ich mir leiste, ist: kein Radio auf der Fahrt! Auf dem Weg nach Aachen Rüben-Lkws, ebenso in Belgien und Frankreich. Landwirtschaft eint, obwohl nur in Frankreich auf riesigen Flächen betrieben.

    Drei Länder

       Ausnahmsweise verfahre ich mich vor Aachen nicht. Im Autobahnkreuz warnen ein Schild und ein Blitzkasten davor, Müll im Kurvenschwung des Kleeblattes wild zu entsorgen. Dann auf der A44 ein letztes Mal 230 km/h. Eine Stunde nach Abfahrt, zehn nach eins, an der Grenze. Nur das D1-Netz begleitet mich noch lange nach Belgien hinein.
        Auch dort später Herbst, Modell Indianersommer. Ja, ich müsste die Namen der Sträucher und Bäume kennen, um das Farbenspiel zu beschreiben: Die hellgrauen, fast weißen Fruchtgespinste der »Judenstricke«, die kleinen, hellgelben Birkenblätter, die dunkelroten Espen – aber da bin ich mir schon unsicher –, dazu kahle, rote Sträucher wie dünne Korallen, dahinter die abgeernteten Felder, viele schon fertig für den Winter, und die malerisch platzierten Kühe, schwarzweiß. Niesanfälle bringen mich wieder in die Wirklichkeit zurück – wohl, weil mir ein bisschen Sonne in die Augen scheint.
        In Belgien und Frankreich absolut leere Straßen (sogar Lastwagen fehlen fast ganz), die die Geschwindigkeitsbegrenzungen noch unsinniger erscheinen lassen, technisch so sinnvoll wie lauwarmes Duschen, reine Schikane und ähnlich wie die Sommerzeitumstellung politisch unrückgängigmachbar. (Gisela meinte später, in Frankreich sei Feiertag gewesen.)
        Übrigens werden in Deutschland automatisch erzeugte Geschwindigkeitsbeschränkungen und solche in kleineren Baustellen erst gar nicht wieder formal aufgehoben. Hält sich eh keiner dran, oder: auf dass die Kasse klingelt. Fahrvermögensabgabe.
        Um viertel vor drei Überfahrt von Belgien (max. 120 km/h) nach Frankreich (130), mein Kilometerstand 101.180. Bunte Friedhöfe wie der Herbst, Wohnwagensiedlungen und Autoschrottplätze, auch die bunt, vor den Orten, ein paar Fabrikruinen. Das Stahlwerk bei Valenciennes wieder mit glühendem Eisen sichtbar in der großen Halle, weit weg ein Abraumberg. Wassertürme, dank Mobilfunk zu neuen Ehren gelangt. Mit 150 durch Frankreich, Festgas, weites, plattes Land, spitze Kirchtürme, zuweilen wie Spitzenklöppeleien durchbrochen.
        In der Picardie, »dem Staat der Somme« (ich sollte doch Landschaftsnamen kennen!) überholt mich rechts ein rasender TGV, wie ein gelb-schwarzer Blitz auf Schienen. Km 101.263, zwanzig nach drei, ich kreuze die Somme. Reiner, gelber Sandboden.
        Langsam wird’s wieder Abend, die Sonne kommt schon deshalb wieder – siehe meine Platte-Welt-Theorie. Romantik-Wolken. Besonders über Paris. »Périphérie fluide« – der Verkehr um Paris läuft besser als am Kölner Ring! Zwanzig nach fünf, Porte d’ Ivry. Meine Shell-Karte klappt sogar für die Maut. Zwanzig vor sechs, 101.446 und schon hinter Paris. Dunkel. Bis Bordeaux wären es noch 550 km. Um halb acht mache ich in Blois Quartier.

    P.S. Aus einer elftenmorgendlichen E-Mail:
        Lieber Helmut,
        lieber Herr Emmelmann,
        um gleich Missverständnisse nicht aufkommen zu lassen: Meine Reise nach Santiago mach’ ich mit dem altbekannten Auto. Als Pilgerreise gilt das gewiss nicht. Zum Wandern wäre mir einfach die Zeit zu knapp. Also vielen Dank für die gutgemeinten fußtechnischen Ratschläge!
        Gestern hab’ ich mir noch für 1999 Mark in bar – allein das viele Flüssige zu beschaffen, war umständlich – den neuesten Aldi-Rechner gekauft. Mental keine gute Einstimmung für eine besinnliche Reise, denn natürlich hab’ ich das Ding gleich gestartet. usw. ...

    Soweit der erste Tag. Zehn. Müde. Zu Bett!
        In der Nacht noch mindestens zwei Stunden lang versucht, die Infrarotverbindung zum Handy zum Laufen zu bekommen, um E-Mails zu verschicken. Erfolglos. Ein Ärgernis, diese Technik! (Es lag vermutlich am Handy.) Dann noch etwas »Technik und Motor« und in »One Thousand White Women« von Jim Fergus gelesen. Ein gutes Buch, Erlebnisse weißer Frauen vor über hundert Jahren bei den Indianern.

    Statistik: 710 km (bis Stand 101598), ca. 8 St. Hotel mit Abendessen und Frühstück 461 fFr, Hôtel Restaurant Le Monarque ** NN, 61, rue Porte-Chartraine, F-41000 Blois, Tel. 54780235, Fax 54748276
       
    2. Tag, Freitag, 12. 11. 1999, Blois-Bilbao

       Morgens um halb neun ab von Blois, 4,5 Grad, bewölkt. Die Schule hat begonnen, Mütter führen ihre Sprösslinge über die Straße. Meine Travel-Pilot-Frau erwacht plötzlich kurz vor der Autobahn, weiß sogar, dass die Strecke nach Bayonne »gebührenpflichtige Elemente« enthält, irrt sich ein wenig beim letzten Kreisverkehr, führt mich aber sonst ganz brav. Na ja, in Bordeaux vertut sie sich wieder ein wenig bei der Umfahrung. Viele Nationalstraßen sind wohl inzwischen Autobahnen, die Auf- und Abfahrten verändert.
        Mit 150 auf dem Tempomaten »on the road again«, wenig Verkehr, vereinzelte Lastwagen. Ein paar Franzosen überholen mit 170, 180, die meisten aber fahren langsamer als ich.
        Weitläufiger, für mich sehr »südlicher« Himmel, mit einem Zelt von Wolken. Die Loire-Schlösser bewundere ich auf Plakaten vor den jeweiligen Ausfahrten. Sie sind so berühmt, dass gar keine Namen dabei stehen, erst viel weiter im Süden wird beschrieben. Binsen, fast gelb noch, und Pinien neben der Straße, kalifornisch. 9 Uhr Sonne, 52 km. Die Weinberge der Touraine, braun. 9.10 über die Loire bei Tours. Weite Laubwälder, kanadisch. Hochebene, nur überwacht von diesen Obelisken der Neuzeit, den Funktürmen.
        Warum kann Gila mich nicht im Internet verfolgen? Die Mobilfunkbetreiber müssten nur die Zelleninformation zur Verfügung stellen, so wie sie’s für die Polizei und (D1) für Tegaron tun. Oder – das aber später!
        Zehn Uhr über die Vonne. Wonnig, gell! Alte Natursteinmauern um Landsitze und Friedhöfe. Mein Fahren ohne Radio ist fast wir früher auf dem Rad: Unterhaltung mit mir selbst.
        10.15 Niort, 216 km. 10.30, 270 km, Cognac, die ersten Zypressen, 7 Grad.
        10.40 Charente. Viel, viel Landschaft. Ich denke an meinen gefallenen Vater, der im Krieg in Frankreich war. Ich sollte meine Mutter über ihn ausfragen. Wie kann man gegen so ein Land Krieg führen? Durchrennen, durchfahren, ja, aber doch nicht besitzen, besetzen!
        Regen vor Bordeaux, große Brücke über die Dordogne, 392 km. Dann über die Garonne, genauso braun und fast so riesig. Auf den brettelebenen Maisfeldern riesige, oft kilometerlange spinnenartige Dinosaurierskelette auf Gummirädern zur Bewässerung. Pinienwälder, knapp bewachsene Dünen, Moor. Für mich Regen.
        Ab Bayonne ausgebaute Nationalstraße, eine Autobahn im DDR-Stil, mit freien Ab- und Zufahrten, jetzt viele Lkws. 500 km, 12.30 Uhr.
        Vor St. Jean de Luz im Kofferraum die Autopilot-CD gewechselt. Diesmal behält der die Sprache, findet »Getxo«, einen Stadtteil von Bilbao, obwohl’s nicht einmal im 1:300.000er-Atlas steht. Letztes Shell-Tanken in St. Jean de Luz Nord. Eine extra Umkehre auf der autobahnparallelen Nationale 10 hilft Verfahrenen wie mir. 7 Grad, es wird wärmer.
        14 Uhr, Übergang nach Spanien (max. 120 km/h) nach 630 km Fahrt (102.228). Dreihundert Meter hinter der Grenze ist meine Spanienfrau von der Navigation schon wieder im Bilde. Sofort Gebirgslandschaft, kleine Gehöfte, abgeholzte Hänge mit herbstlichem Farnbezug, in den Buchten Wohnblocks, fast Hochhäuser, Proletarier-Style.
        Um halb drei über den Fluss Oria und zum ersten Mal das Meer gesehen! Die Autobahn ist eine richtige Corniche, eingeschnitten in die steilen Hügel, mit Tunnels, Brücken, einer Kurve nach der anderen, für mich ein Mittelding zwischen Kalifornischer Highway One und Vierwaldstädtersee. Für einen Modelleisenbahnbauer gewiss ein Traum, alles windet sich drunter und drüber.
        Dann etwa bei Guernica ein toller Unfall an der Mittelleitplanke mit Totalschaden, aber glücklich heilgebliebenen jungen Insassen.

    Bilbao

       Viertel nach drei Bilbao, baskisch »Bilbo«. Alles ist hier zuerst baskisch angeschrieben, eine Sprache, fremd wie Indianisch, schon die Namen unaussprechbar, moderne Entlehnungen wie Hospital einfach nur umständlicher geschrieben, typisch für Dialektschreibung. Controlatua ist Kontrolle, Radarrez Radar, Aireportua Flughafen, Universitatea Uni. Adi lainoaz heißt langsam fahren, das scheint echt zu sein. Christian sagt mir später, dass in Bilbao eigentlich nicht baskisch gesprochen wird – vor Gericht allerdings und im Parlament ist es zugelassen –, und dass die Basken sich erst jüngst auf eine Einheitsschreibung geeinigt hätten.
        An Bilbao hatte ich schlechte Erinnerungen – und wohl schon seit Bert Brechts Bilbao-Song ein negatives Vorurteil. Meine Roboterfrau aber führt mich richtig nach Getxo, die Schilder bleiben bloße Versicherung. In »Geht scho« (Aussprache von Getxo) wirft sie mich von der Autobahn herunter an Land, und aus ist es mit der Führung. Straßen in der Stadt, selbst in Bilbao, kennt die CD nicht. Ich finde trotzdem das Hotel Artaza (tel. 94-4912852), Ankunft ca. vier Uhr.

    Verwandtschaft

       Um fünf kommt mich Katja abholen mit Gisela und Heinz im Auto. Sie waren mit dem Bus aus Madrid gekommen, die beste Verbindung. Kaum sind wir bei Katja, ganz in der Nähe, kommt auch Christian (ihr Mann, Heinz’ und Giselas jüngster Sohn) zurück von einem Tagestrip nach Frankfurt am Main. Sehr netter Abend bei Christian Hoedl Eigel und Katharina Hofheinz Belda, wie sie hier spanisch nach Vaters und Mutters Geburtsnamen heißen. Der Jüngste, Christian jun., ist krank, Virusinfektion. Mutter Katja bringt ihn zum Arzt, muss dort lange warten – kein Wunder, Freitag Abend um sieben. Sie kommen aber rechtzeitig zum Abendessenfahren um neun Uhr zurück. Mit Heinz und Gisela Zeit für ein paar gute Gedanken (über meinen Vater, den Krieg); Christians Hobby ist Geschichte. Die Wohnung der beiden edel-altmodisch, teuer, vornehm, Knesebeck-Style, korrekt platzierte Kunstbildbände unter der Glasplatte des Tisches, Bilder und Stiche einzeln messingbeleuchtet. Die Schachspieler aus dem Herrenzimmer meiner Großeltern in Bozen, wo ich aufgewachsen bin, hängen über dem Kamin. Hinten ein Dienstbotentrakt mit eigenem Aufgang. Sie haben ein Hausmädchen aus den Philippinen, das zur Verstärkung ihre Schwester mitgebracht hat, dazu einen Teenager wöchentlich einmal, damit die Kinder Deutsch lernen. Unten ist der Eingang ganz ohne Namen, dafür aber mit stilvollen Sitzgruppen, Bildern und Teppichen. Ich vergesse ganz, dass Christian schon über zehn Jahre als Anwalt arbeitet, Katja auch berufstätig war, wundere mich immer noch über den Reichtum der Jugend – die aber keine Jugend mehr ist! Ich fotografiere, überreiche die vielen »Nikolaus«-Geschenke von Gisela. Die Stimmung ist herzlich, und doch: Ich spüre nur bei Heinz diese ganz gedankenlose Freundlichkeit des alten Österreichers, muss wieder an seine Einladungen denken, nicht nur an Gisela und mich eher Außenstehende zu seinem Achtzigsten in Spanien, sondern auch am Hof heuer im Sommer spontan zum Essen von zwölf Leuten bei »meiner« Gisela – was er danach wohl auf Anweisung seiner Gisela mit einem großen Blumenstrauß hatte sühnen müssen ... Ich entscheide mich, weiterzureisen, die südliche Route zu nehmen; das Wetter ist zu schlecht, um genüsslich die Küste entlang zu fahren.
        Sehr gutes Abendessen in noblem Fischrestaurant mit Windmühle an der nächtlichen Bucht, Heinz leider alt geworden und gelegentlich ein bisschen durcheinander. Vorspeise: warme, grüne Pfefferschoten und Pilze aus der Pfanne, danach: Fisch (eher runde Fischpflanzerl Stäbchen-Art) und Tintenfisch in schwarzer, eigener Tinte, zum Abschluss: süßes Dessert.
        Bis ich das getippt habe, ist’s nach zwölf. Am Samstag früh lese ich noch die »tausend Frauen« aus.
        Statistik: 778 km (102376) in ca. 71/2 Stunden. Hotel 8434 Pts = 50,69 Euro.
       

    3. Tag, Samstag, 13. November 1999 Bilbao-Burgos-Frómista
       

       Nach guter Nacht, gutem Hotel und noch voll vom späten Abendessen erst nach neun Uhr los. (In der Früh fast eine halbe Stunde Verlust beim Versuch, das Modem ans Telefon anzuschließen, wohl ein ISDN-Telefon!) Zehn Grad, bewölkt, fast regnerisch. Morgentraurigkeit, wohl auch vom Zuendelesen des Indianerbuches. Im Auto schnell Pläne gemacht, wohin es zunächst gehen soll. Jedenfalls nicht »zurück« Richtung Pamplona, auch Santo Domingo de la Calzada wird ausgelassen und direkt Burgos eingestellt, 125 km Luftlinie.
        Kurz vor zehn los auf die Autobahn. Nach vier Kilometern Fahrt ist meine Pilotin im Bilde, mit ihr geht’s stressfreier weiter; überhaupt angenehm leichter Samstagsverkehr. Ich bin wieder überrascht von Bilbao, dem Konglomerat und Schmelztiegel, dem Kontrast zwischen Bergwiesen mit verfallenden Naturstein-Bauernhäusern, riesigen Wohnblocks mit heraushängender Wäsche und hochgestreckten Fernsehantennen, modernen Baudenkmälern als Kunst an der Autobahn, Schwerindustrie, Werften, dampfenden Stahlwerken, schwindelnd hohen Hafenbrücken – weiter draußen dann Wasserkraftwerke und Betonfabriken; abgebrannte Grashügel, später südwärts gerichtete Waldhänge mit Feuerspuren. Mit nichts ist Bilbao zu vergleichen – ich denke sogar ans Sauerland, die Industriegegend um Siegen. Gila ruft mobil an, ich bin aber etwas unkonzentriert zwischen all den Autobahnen und unsicher, wie ich die Stimmung bei Hödls beschreiben soll. Die Zurückhaltung hat gewiss an mir gelegen – mir war’s wie bei angenehmen, lieben Bekannten, nicht wie en famille. Nur leider macht’s jede Beschreibung schlechter, als es wirklich war. Ich hätte nicht drüber schreiben sollen ...
        Nach zwanzig Kilometern endlich scheinbar am Land draußen. Es geht stetig auf der A-68 die Berge hinauf, Nebelreißen, Druck in den Ohren. Burgos 143 km, Madrid 375 – so weit ist das alles ja gar nicht! Links wird ein ganzer schwarzer Berg abgebaut, Schiefer? Ich überhole den Linienbus Bilbao-Madrid, mit dem Heinz und Gisela am Montag wieder abreisen werden, nichts Besonderes, ein guter Reisebus, Mercedes. Dann Provinz Araba; weiter bergan, Laubwälder, letzter Blick aufs verhangene Meer. Mendelartige Bergabfälle, Kalk? Paso de Subijana, Schlucht, Höhlen, schließlich die Ausfahrt Subijana. Hochebenen, wieder Anstiege, Tunnels, Talenge, daneben die Staatsstraße mit Lkw-Schlangen. In Antorbo eine Düngemittelfabrik. Riesige Felder, kein Baum, nichts, zum Heimweh kriegen! Die 120-Schilder blinken, weil jeder zu schnell darauf zu fährt. Oben feiner Schnee, Passhöhe ca. 950 Meter, nur mehr zweieinhalb Grad. Gilas Brote trösten.

    Burgos
       
    Nach 167 km um viertel vor zwölf bei 1,5 Grad hinein nach Burgos. Oben neben San Esteban geparkt. Sauwetter. Karl der Große Die Kathedrale dunkel und innen vollgebaut, außen allerdings mächtig an den Berg gelehnt und leider gerüstumgeben. Schöner Kreuzgang, Silberschmiedarbeiten, ein Prachtwagen mit Silbergans wie für den Karneval, Altäre, Figuren, Fülle. Das Tor angesehen, ein »Arco de Santa Maria« ohne Maria, dafür mit Karl dem Großen. San Gil war zu, Renovierung oder Mittag. Schön San Nicola mit dem riesigen Holzschnitzaltar (»Rentabel«), dazu Duft von weißen Lilien, wohl für eine Hochzeit? San Esteban als Altarmuseum, endlich hell sichtbar; schön.
        Mit dem Auto hinaus vor die Stadt zur Miraflores-Kartause, wenig zu sehen, wohl auch, weil’s so kalt ist. Die berühmten Grab-Skulpturen liegen flach und sind unsichtbar; der Altar, der ja wirklich schwungvoll aufgeteilt ist, aufrecht – aber im Dunkeln. Jetzt noch gegenüber von Burgos zum Kloster Las Huelgas (»Mußestunden«), es gießt, und die haben zu. Mit dem Autopiloten im Ort Villagonzalo-Pedernales Shell gesucht und schließlich mit Hilfe zweier Fernfahrer gut gefunden, nur war das wieder am anderen Ende. Dazwischen meine eigene Desorientierung: Ich hatte im Regen seit der Einfahrt Nord und Süd falsch im Kopf; jetzt war es fast unmöglich, das mental wieder richtig zu bekommen. Mein Tagesziel Frómista, auch am Jakobsweg, eingestellt, und – oh Wunder – wieder bei Huelga vorbeigekommen. Ich also ab dorthin, doch sie machen erst um vier Uhr auf. Regen, eineinhalb Grad; im Auto gewartet.
        Und dann eine sehr schöne, lustig-bewegte, fast zu lange Führung durch das Kloster Huelva, Nähkästchengeschichten aus dem zwölften Jahrhundert in Spanisch – und natürlich nicht alles verstanden. Das Kirchenschiff ist ganz zugebaut, auch hier Altäre, Gemälde, vor allem Gräber, zwei Kreuzgänge. Interessant die »Kleidersammlung« aus dem 12. Jahrhundert, eigentlich aus dem einzigen 1809 von den Napoleonischen Truppen verschonten Grab.
       Bei hereinbrechender Dunkelheit weg aus Burgos. N 620, weites Land, Sierra Nevada. Mit 120 die 120 entlang, ha! Es geht einen Pass hinauf, der Jakobsweg ist wohl der parallele Feldweg mit gelegentlichen Steinpyramiden. Oben dann wieder typisch die Straßen immer geradeaus bis zum nächsten Dort, erst dort darf eine Kurve kommen. Und wenn’s ein besseres Dorf ist, dann hat es eine Umfahrung, also rechts, dann links, dann wieder rechts und weiter, im Sichelschritt. Die minderen Käffer durchfährt man. Alle aber haben schon bessere Zeiten gesehen, zwei, drei Häuser mit Veranden und darunter prunkvolle Portale, jetzt verfallend. Draußen vor dem Dorf jeweils der Gottesacker.
        Einmal schickt mich meine Frau »scharf rechts«, wo’s in die 611er geht, hatte aber links gemeint – angeblich verwechseln Frauen leicht links und rechts – na ja, sie korrigiert sich schnell: »Wenn möglich, bitte wenden«. Häufig wird hier rechts in einem Halbring abgebogen, dann erst links gefahren. Osorno, trostloses Kaff, das Größte das Kino. An in Frómista um halb sechs, sehr schönes Zimmer im Hotel San Martín.
        294,8 km, Stand 102670.
       

    4. Tag, Sonntag, 14. 11. 1999, Frómista-León-Astorga-Villafranca del Bierzo

       Um halb neun »zum Frühstück«, dabei in Gesellschaft dreier Reisender einen Orangensaft und einen Kaffee genommen. Die Kirche macht erst um halb elf zur Besichtigung auf. Eine Messe gibt’s dort keine, die ist anderswo bei den Patres um halb zehn. Ich will dorthin und dann weg nach León.
        Und doch kam es etwas anders – wie das auf Reisen so geht und »Bildung« genannt wird. Zuerst die Messe, ja, im Gemeindezentrum, gelesen von einem bärtig-jungen Priester, Modell Sozialarbeiter, vor vielleicht vierzig alten Frauen und drei Männern. Nur eine Junge war dabei, die sah ich später wieder. Die Kirche stirbt aus – oder die Leute gehen erst am frühen Nachmittag, dann wirklich bei den Patres. Man sollte nicht zu schnell Schlüsse ziehen. Anrührend das freie Singen, diesmal auch das Hand-Schütteln. Mich bewegt eine Messe immer, obschon sie nicht mehr lateinisch ist, wo ich hätte mitbeten können.
        Nach der Kirche fromm gezahlt, denn Visa und Mastercard waren vorher abgelehnt worden. Jetzt ging’s: 5660 Pes. samt Compuserve-Telefonaten und »Frühstück« zum Räuberpreis von 425 Peseten.

    Frómista und Palencia

       Inzwischen war auch San Martín offen – das Hotel liegt genau am Kirchplatz – und sehr, sehr eindrucksvoll schlicht. Aus dem Jahr 1066 ist sie die zweitälteste Spaniens, innen leer bis auf drei Skulpturen in der Apsis und einem blechernen Leuchter (eine schmiedeeiserne Öllampe aus dem zwölften Jahrhundert, die die Stifterin Doña Munia gleich mitstiftete). Die Farbe der Kirche, sandstein konsequent, die romanisch einfache Form mit drei Apsiden macht sie »design«-perfekt.
    FriesLustig die vielen Figuren an den Säulen, der Schmuck außen, aber auch wieder nur oben, nicht allüberall wie im spanischen Barock. Dazu hatte ich eine deutsche Führung. (Mehr über San Martín in Fórmista siehe deutsches Informationsblatt.)
        Danach hab’ ich mir gegenüber vom schönen Kirchfräulein in der Käsekooperative zwei riesige Käsestullen belegen lassen, die mich durch den Tag brachten. La Venta de Boffard war das, Boffard-Käse.
        Bei weiterhin Sauwetter, Regen, vier Grad südwärts nach Palencia. Nur gut, dass die »Sierra Nevada«, die »Beschneite«, das noch nicht ist! In Mónzon de Campos ein arabisches Schloss links am Hügel. Davor Höhlenwohnungen im Sandstein, vielleicht auch nur kalte Keller. Rechts ein stinkendes Stahlwerk und wieder links zum Abschied Autoschrott. Etwas später ein weiteres Schloss: Palacio de Altamira in Fuentes de Valdepero.
        Palencia: Verregnete Provinzhauptstadt (82.000 Einwohner, rege Bautätigkeit) am Sonntag früh mit verriegeltem Dom, wie hier oft »wegen Renovierung«. Weiter um viertel vor zwölf auf die N-610, der Verkehr hat mich wieder. Verfallene Bewässerungskanäle, verfallende Bauernansitze aus Sandstein, verfallende Dörfer wie »Ghost towns«, knapp vor den Orten verfallende runde Speicher, doppelwandig; darum herum riesige Felder; Meereshöhe 750 m, und heute 5,5 Grad. In den Orten – in einen, Villafrades de Campos (gerade schon in der Provinz Valladolid), bin ich hineingefahren –, gibt es durchaus neue Häuser, nur die Peripherie verkommt – aber verkommt schön, denn gebaut wurde mit Stroh und Lehm, später mit Hohlziegeln und Lehmstrohputz. Die Region heißt »Tierra de Campos« ... Das nächste Provinzkaff, Villalón de Campos (786m hoch), sehe ich mir auch an: verfallende Arkaden, die Kirche mit gefährlichen Rissen über dem Seitenschiff.
        Kurz danach, um halb eins, die Sonne! Sechs Grad. Sommer über dem Flachland! Farben kommen heraus, der Himmel, die Weite – nur von Hochspannungsleitungen gegliedert. Bei der »Oase« (eigentlich ein Straßenknotenpunkt) Becilla auf die 601, die ist noch befahrener. Hinunter nach Mayorga am Cara-Fluss (lt. Atlas: Cea), 773m, das Foto mit dem Mast. Eine Schafherde mit unbewegtem Schäfer – ich dachte erst an eine Vogelscheuche. Sonntagsjäger mit Hund, gelegentlich ganze Treibjagden. Orte am Hügel, etwa Valverde Enrique, und das Höchste ist wieder der Funkturm. Sonst entlang der Straße pleitegegangene Puffs, Clubs genannt, rosa, rostig und »cerrado« oder zum Verkauf.
        Dem schlechten Wetter bin ich scheint’s entflohen. Im fernen Norden die überzuckerten Cantábrischen Cordilleren. Über die neue A 66 Richtung León – meine Pilotin kannte die noch nicht. In León leitet sie mich statt hinein den Jakobsweg zum Flughafen hinaus. Dabei finde ich eine Shell-Tankstelle, tanke und wasche den Dreck aus den Dörfern weg – in Deutschland sonntags bekanntlich staatlich streng verboten –, und drehe zurück nach León, zehn vor halb zwei, dreizehn Grad, richtig müdemachend.

    León und Astorga
       
        León, Großstadt, Tiefgarage am Domingo-Platz. Km 173,8 bzw. 102845. Und sehr beeindruckend, obwohl ich die Königsgruft nicht gesehen habe – sonntags zu. Viele Leute auf den Straßen, alle kurz vor dem Mittagessen im Restaurant. Durch die Einkaufstraße zur Kathedrale. Dort ist – nachmittags um zwei – gerade große Messe. Ein Einbau (Renaissance-Trascoro) teilt den Dom in Gläubige vorn (viele), Honoratioren in der Mitte auf Holzgestühl (keine), und Touristen hinten, sogar hinter Glas. An den Seiten kann man vorgehen. Dazu die Liturgie, gelbes Licht am Altar, bläuliches, dunkleres durch die berühmten Glasfenster, und, nicht auf den Fotos, die Orgel, tief und gefühlvoll. Ich hab’ mich im Mittelschiff ganz nach hinten auf die Treppen gesetzt (der Eingang ist nur seitlich) und im Halbdunkel Tränen der Rührung verdrückt. Der Kreuzgang zu, alles andere wie Panteón und Königsgruft auch, schade. Dann zu San Isidoro, genau am Jakobsweg (Messingmuscheln sind im Gehsteig eingelassen), schlicht und schön. Die Placa Mayor wenig beeindruckend, die Altstadt auch nicht. Kommunistische Sprayereien, ein aufgebrochener Telefonverteiler (den ich brav schließe), Verfall zwischendurch besonders der schmiedeeisernen Balkone.
        74,6; 102846, 11 Grad, raus aus León, Ausfallstraße N-120 und doch zugleich der Camino, Europawanderweg mit Sternen und Wanderin und Radfahrer. Alles nur ein Makadamweg mit Stecken am Rand wie für Schneepflüge bei uns im Gebirge, in einer reicheren Gemeinde mit Platten und Straßenlampen. Kilometerweit geradeaus (vielleicht 25 hier), echte Buße für Wanderer, stürmisch-kalt. Nur gut, dass inzwischen »sola fide« auch im Katholischen gilt! Astorga Vor Astorga an der Tuerto-Brücke steigen die deutschen Busreisenden von heute früh aus und gehen zu Fuß nach Astorga, dem römischen Astucia Augusta.
        Fünf vor halb fünf, 102.893, 11 Grad, Sonne, und hinein in die Gassen von Astorga, ich wäre fast drin steckengeblieben. Der Dom im Abendlicht sehr beeindruckend, aber zu. Der »deutsche« Bus kommt tatsächlich her! Überraschend neben dem Dom ein Kitschpalast von Gaudí, Rudolf Steiner hätte seine Freude gehabt und den Waldorf-Jugendstil verworfen ...
        Um fünf wieder weg. Ganz überrascht vom Anstieg in die Kordilleren auf nagelneuer Autobahn (auch meine Pilotin ist überrascht!). Rote Erde oder schräge Schieferschichten bei Autobahndurchstichen. Wie Nevada, in Amerika mein’ ich. Manzanal-Pass, 1221m, viertel nach fünf. Steil wieder bis 650 m hinunter, Laubbäume im Abendlicht, zunehmender Mond, Kurvenschmuck, Sonnenuntergang, Autobahnende. Hinein in ein Tal, auf der Endmoräne Villafranca del Bierzo, mit Fabrikschornstein aus Ziegeln und einem Storchennest drauf, eine romanische Kirche aus dem zwölften Jahrhundert, Pilgerunterkunft, und teurer Parador (wollen 9.200 Peseten gleich 110 Mark). Ich passe und miete mich am Dorfplatz (Plaza Generalisimo, 6) im Hotel – na wie? – »San Francisco« für 3.991 Peseten ein, 47 Mark (Tel. 987540465, Fax 9875444). Das Zimmer ist natürlich sehr klein, das Bad leicht abschüssig, aber alles proper. Im leeren Gastzimmer kann ich wunderbar Tagebuch schreiben – im feinen Parador hätte ich mich geschämt.
        Abends kleine Wanderung durch das verfallende Dorf – nur die Banken und Sparkassen prosperieren, kein Wunder, dass die Leute Kommunismus pinseln. Kalt. Das alte Kloster ist ein Restaurant mit Hotel geworden, Hospederia de San Nicolás el Real, 150 Pilgerbetten, oder komfortable Zimmer zu 7.200 Peseten (Tel. 987540483). Mir suspekt. Ich esse im lokalen Lokal, für 1900 Peseten, echt schlecht – die mir bekannten Artischocken gab’s nicht als Vorspeise, so erwischte ich in der Eile Suppe mit Kutteln, grausig. Das Steak war ähnlich ungewöhnlich und keines.
        312,4 km, 102984.

    5. Tag, Montag, 15. November 1999, Villafranca-Orense-Tui-Portugal-Baiona-Santiago

       Gila weckt mich um zwanzig nach sieben, mobiltelefonisch. Mein T28s von Ericsson ist so klein mit Klappe, dass sie sich am akustischen Kratzen meiner Barthaare stört ... Um acht zweites Wecken von nahen Kirchenglocken, wie so oft in Spanien zwar freihängend aber nicht wohlklingend, vielleicht gerade deshalb.
        Ich entschließe mich zu einer Südroute, will ans Meer. Lugo mit seiner Stadtmauer muss erst mal ausfallen. (Das hab’ ich dann am Rückweg im Regen besucht.) Um halb neun los, bei fünf Grad, in das Tal (richtiger »hinaus«), die Sonne geht über Laubbäumen auf. Nach acht Kilometern rechts ab die N-120, die mir bis Ourense (Orense) treu blieb. Breites Tal, 400 m hoch, ein Betonwerk.
        Was wird aus unserer Baukultur werden, wenn sie alt ist? Werden unsere Tiefgaragen, Autobahnen, Hochhäuser dann Denkmäler sein? Stein- und Lehmmauerwerk, Fachwerk, Gips und Kalk verfallen wenigstens malerisch, aber Beton?
        Stauseen. Zwischen zwei Tunnels der wildromantischen Straße überquere ich wieder einmal im Viadukt die Sil (ich mach’ den Fluss mal weiblich) und bin in Galizien! Wie das klingt – für mich nach Ostjuden; ist aber nicht so gemeint. Die Sil fließt übrigens bei Ciutelo (da komm’ ich auch noch vorbei) in den Miño, den ich bis zur Mündung ins Meer verfolge, sogar dort drübersetze, aber auch das kommt noch. Jedenfalls sollte es die ganze Zeit bergab gehen, tut’s aber nicht. Passhöhe bei Sequeiros 560 m. Im Tal Weinbau, herbstbelaubt, »weinrot«, zwei Grad, relativ dicht besiedelt. Lauter »Sierren«, ich verlasse die Sil durch die Sierra de Agua Elevada Richtung Monforte des Lemos. Später vorbei am Ort »a Rua« – bayrisch.
        Häuser aus Granit scheinen hier die große Mode zu sein, der erste Stock eventuell hell, obendrauf möglichst hell-dunkel changierende Dachziegel. Zäune werden gern aus senkrechtstehenden Granitstangen gemacht, sie sehen wie steinerne Bahnschwellen aus, etwas grabstättenartig. Nur bei den romanischen Kathedralen bin ich dankbar für den unverwitternden Granit!
        Ein Stausee nach dem anderen, ein bisschen einspurige, elektrifizierte Eisenbahn neben der Straße (Palencia-Coruña), besonders schön bei Sequeiros. Meine Pilotin, die weder Monforte noch andere Orte am Weg gekannt hat, nur Orense, erzählt immer wieder und wieder, ich solle lange der Straße folgen – stets, wenn sie wieder weiß, wo sie ist, sagt sie das, kurz vor Orense dann noch mit genauen, aber sonderbar springenden Kilometerangaben (14, 13, 8, 12 ...). Zwischendurch kommandiert sie »scharf links abbiegen«, wo weit und breit keine Abzweigung ist, aber das macht nichts. Ich muss mit ihr Geduld haben, hat sie mit mir doch auch immer Geduld, auf dieser »Pilgerreise«: Vielleicht pilgert sie – zwei Schritt vor, einen zurück? Überhaupt ist es mit ihr wie früher mit den Steckdosen im Hotel – meist passt’s, manchmal aber auch nicht.
        Ich fahre bei Regen und Sonne direkt in einen Regenbogen hinein, ländlich, schön. Über die Lor, ein abgebrochener Überholvorgang, der Tanklaster posaunt aus Protest. Entschuldigung! Hinunter ins Tal, weiter Blick, das Schloss Monforte in der Sonne.
        Ich hätte nach Orense auch eine malerische Südroute durch die Berge nehmen können, aber die Hauptstrecke ist schon recht.
        Vor Orense Halbautobahn, »via rapida«, 140 mit automatischem Gas.

    Orense und Tui

       Kurz nach zehn und nach 145 km in Orense. Hin und zurück über einen neuen Miño-Viadukt, ich muss doch am linken Ufer bleiben, sehe einen Puente Romano, im 12. Jahrhundert auf römischen Fundamenten für die Pilger gebaut.
        Orense ist ein große Stadt am Hang, steil, Klein-Franzisko. Wieder taucht bei meinen Irrfahrten durch die Stadt eine Shell-Tankstelle auf (die einzige dort), ich tanke, parke im Parkhaus, gut, denn beim Ausfahren beobachte ich Abschleppen – übrig bleibt ein roter Aufkleber am Boden, vom Polizisten höchstselbst dort festgetreten. Vorher nehme ich im Kaffeehaus (Cafe Victoria, Avda. Pontevedra, 5, Tel. 220488) noch ein Frühstück, zweimal aufgewärmte Eierspeise mit Kartoffeln, Weißbrot und Tee.
        In der dunklen Kathedrale von Orense sehr schön die Pforte zum Paradies mit Musikanten am oberen Bogen, und sehr kitschig eine voll versilberte Barockkapelle mit langhaarigem Christus. Das Kloster oben am Berg hat geschlossen. Einheimische sprechen katalanisch hier, hört sich mit viel njs an, etwas portugiesisch, und gänzlich unverständlich.
        In Orense noch eine peinliche Erkenntnis. Die kleinen, ordentlichen Häuschen mit der Anschrift »Once« und als Zeichen einem Männlein: Das sind nicht, wie ich am Sonntag in León gedacht hatte, Stehschreine für kleine männliche Bedürfnisse. Aus der Hand des stilisierten Herren ragt ein dünner Blindenstock, das ist es, und in den Häuschen sitzen blinde Lotterieverkäufer ...
        Mühsam um halb eins wieder aus dem Ort heraus auf die Autobahn nach Vigo, km 156. Wieder ein Pass, langer Tunnel. Aber wunderbare Fahrt über diese neuen Autobahnen (Europa-gesponsert?). Kurz nach eins bei Ponteareas ab in den Süden nach Portugal. Kurvige Landstraße mit Eukalyptushainen, gelblich-weiß blühende Yuccas, die Straße nennt sich »Weinstraße«, die Anwohner plakatieren mit Leintüchern »Todesstraße«, wie überall will keiner den Verkehr. In Salvaterra (mein km 233,7) kein Hinweis nach Portugal, aber der Fritz, der findt’s. Ich bin fast auf Meereshöhe, 14,5 Grad.
    Brücke     In Portugal – auch nicht anders als Spanien – auf der 101 nach Valença de Minho (Minho ist der portugiesische Miño), von dort zurück nach Tui über eine zweistöckige genietete Eisenbrücke, oben Eisenbahn, unten ich. An einem Lidl vorbei hinauf nach Tui, zehn vor zwei, 16 Grad. Tui ganz schön aber nicht aufregend, Kurstadt. Kurz vor drei, 18 Grad, km 186, die Autobahn nach Portugal hinunter und dann die Landstraße nach Caminha. Genau um drei mit der Fähre über den breiten, schon geschätzten Minho nach Camposantos in Spanien (425 Peseten, MAN-Sechszylinder).

    Die Küste

       Jetzt die spanische »Highway one«, die C-550, die Küste entlang nach Norden; wirklich schön. Am Cabo Sillerio, dem »Eck«, brennender Müll und ein Auto mit einem Schlafenden drin. Unheimlich, dabei windig, sonnig und eigentlich schön ...
        Spätestens in Baiona ist der Genuss zu Ende. Rummel, zunächst Baderummel, der langsam in Auto- und Industrierummel übergeht. Ich fahre noch bis Vigo am Meer entlang, und gebe es dort dann endgültig auf. Ein Moloch. Ein freundlicher Einheimischer fährt mir bis auf die Autobahn Richtung Pontevedra vor – ich hätt’ sie sonst nie gefunden im Feierabendverkehr, mit Kreisen, die nirgends hinführen, Unter- und Überführungen, Umkehrschleifen, alle mit null- bis zweisprachigen Hinweisen. Selbst meine Pilotin ist bei so was hilflos, will mich wenden lassen. Wohl aus Verzweiflung.
        In Spanien hatte mich, aus Portugal kommend, übrigens mein Handy mit der Kurzmitteilung vom »Pannenservice« begrüßt: »Willkommen an Telefonica MoviStar. Um ein Taxi zu bitten, ein Restaurant zu reservieren, um Information sich zu bewerben. Bitte rufen sie 2424 an.« – Dabei ist die 2424 zum Anrufen gleich hinterlegt. Klasse!
        Um zehn nach fünf fester Entschluss, Santiago einzustellen, und nichts wie hin. Endlich wieder durch Wald und Hügel, kleiner Pass, weg von der Industrie. Die zwei Mauten wie immer mit American Express bezahlt, 505 und 420 Peseten. Selbst Padrón (früher Iria Flavia) mit seiner römischen Brücke über »die« Ulla lasse ich links liegen, »das geheimnisvolle westliche Ende Europas am Finis terrae« (Pilgerführer) – für mich wird das dann das Obradoiro werden. Zwanzig vor sechs in Santiago angekommen, 433 km, 103416, 12 Grad, bewölkt – und eher enttäuschend provinziell, popelige Stadteinfahrt, nur eine riesige 50-Km-Leuchtreklame.
        In Santiago de Compostela (nicht Campostela, wie ich immer sagte) sofort ein Zimmer in einem Zweisternehotel gefunden; unten ein kleines Lokal, in dem ich mit Familienanschluss (Teenager in Streit mit Mutter, katalanisch) dies schreibe. Darüber ist’s halb neun geworden, Zeit zum Essen ... Ich nahm Salat und Eier mit Speck, wobei sogar letztere unüblich lieblos gelangen: darunter zwei Spiegeleier, darüber Fritten, und obendrauf zwei Schnitze Speck, der allerdings mager, ja knorpelig. (»Bar-Restaurante Rois II«. Comidas de trabajo y a la carta. Comidas y banquetes para estudiantes. San Clemente, 32. Tel. 981585496. Rois ist ein Ort, II weil es schon ein Lokal gab. Wie beim CB-Funk!)
        Untergekommen bin ich daneben in einem großen Dreibettzimmer im Hostal-Residencia Alameda, San Clemente, 32, alles nur ein paar Schritte weg vom Zentrum, Tel. 981588100 Zi. 104, Fax 981588689, www.archy.com/hostala-lameda, für 5.885 Peseten die Nacht, 70 Mark. Eine Fußmatte im Bad musste ich reklamieren.
        432,5 km an dem Tag, Stand 103.416 km.
       
    6. Tag, Dienstag, 16. November 1999, Santiago

       Um zwanzig nach neun erster Anruf einer Dame, die fragt, ob sie auch die linken Parkplätze bei Debis verwenden darf, die rechts seien voll. Sie hat sich verwählt, meine ich; nein, sagt sie, die Zentrale hat sie verbunden. Und ist dann erstaunt, als ich ihr sage, ich sei in Santiago ... Erklärung: Die Rufumleitung meiner Direktleitung bei Debis (0711-972-1720) zum Handy ist immer noch geschaltet.
        Zum Frühstück Milchkaffee und Hörnchen in »meinem« Gasthaus nebenan – das mich das Auto vor seiner Tür stehen lässt –, und noch schnell mit dem Ohmmeter aus ebendiesem Auto beim Reparieren des Toasters geholfen.
        Gegen zehn die paar Schritte zum Dom. Für Spanien ist’s noch früh, keine Fremden, die Andenkenverkäufer stellen erst ihre Buden auf. Frisch und sonnig. Der große Domplatz (Plaza de España oder del Obradoiro, dieser »Arbeit aus Gold«) mit der Domfassade ist wirklich beeindruckend. Die Fassade wirkt beim nötigen Blick nach oben – Santiago liegt am Hang – südamerikanisch barock, ist weniger eine Fläche als eine hochgezogene Landschaft aus inzwischen flechtenbewachsenem Granit. Hinter einem Gitter offene Treppen hinauf zum Eingang, und dort die Paradiespforte – ähnlich der in Orense, nur dass ich hier das Gefühl habe, höher geht’s nicht, weiter geht’s nicht, weiter westlich ist die Welt zu Ende. Und ich denke: Möge ich dereinst durch so eine Pforte eingehen.
        Innen ist der Dom riesig, eine eigene Welt, vorne vollgebaut mit Gold und Silber, über allem thront hinter dem Altar eine silberne Jakobsbüste, ein paar Treppen hoch, man kann hinter ihm vorbeigehen und ihm die Hände auf die Schultern legen. Darunter, in der ganz kleinen Krypta, liest ein Priester ganz allein die Messe am Grab des Heiligen Jakob. Frömmigkeit und Romanik, Schaulust und Hallotria treffen hier zusammen.
        Der Beichtstuhl für deutsch und ungarisch ist leider verwaist, die Italiener werden erleichtert. Allgemeines Foto-Posieren vor dem Altar, zwischendurch wackere Pilger in sportlicher Gebirgsausrüstung und braungebrannt-verwegen anzusehen. Besonders schön das Südportal, Puerta de las Platerías (der Goldschmiede), eine Collage aus romanischen Skulpturen, aber »gut gemacht«. Krypta, gotischer Kreuzgang, Domschatz, ich besichtige in Ruhe, und gehe gegen halb eins wieder in die Kirche. Hier ist Romanisches in Granit gehauen, so hat mehr davon gehalten als anderswo, wenn überhaupt so viel an einem Fleck beisammen war. Ein großer romanischer Einbau im Dom wurde herausgerissen und inzwischen im Museum rekonstruiert.
        Die Mittagsmesse für Pilger ist im Gange, die Stimmung eher gut als andächtig, fünf Priester zelebrieren in rot, einer dirigiert oben von der Kanzel in weiß weitausladend das Volk; zum Friedensgruß wieder allgemeines Händeschütteln. Ich bin dauernd halb zu Tränen gerührt, hin- und hergerissen zwischen In-mich-Gehen und Foto-Machen. Danach kommen die Tempeldienerinnen und -diener, junge Mädchen und Männer in zu weiten rostroten Pullis, ebensolchen dunklen Hosen und Funkgerät am Gürtel zu Ehren: Sie klappen mitten in der Kirche große, blauweiße Regenschirme auf und begleiten die Priester mit den Hostienkelchen durch das Kirchenschiff zur Kommunion für jeden, der möchte.
        Danach setzt sich der Bischof die Mitra auf und verkündet wegen der Menge der Anwesenden den Höhepunkt der Messe. Die allgemeine, tiefe Bewegung, der sich niemand entziehen konnte, wird gelöst durch eine fast akrobatische Einlage: Junge Mönche pendeln das riesige Weihrauchfass durch das Querschiff, an einem Flaschenzug, der in der Kuppel befestigt ist. Weihrauchwolken und Gesang steigen gen Himmel. Der Brauch war gegen Pilgerperspiration gedacht.
        Gegen halb eins verläuft sich die Menge, hinein in die laubengängige Altstadt, ich auch, Andenken kaufen, Ansichtskarten schreiben – bei einem einfachen Mittagessen, bei dem ich schon wieder Omelette mit Kartoffeln bekomme. Das Wetter zieht zu.
        Nach der Siesta etwas zu spät in der vergeblichen Hoffnung auf Abendsonne für ein schönes Bild der Domfassade wieder in die Stadt – am Tag darauf sollte es gelingen –, an der Post vorbei (gelbe Post-Vespen, selbstklebende Marken von der Rolle und schließlich Löwenmäuler als Posteinwurf) zum Domplatz, dessen Nordseite das »Hostal de los Reyes Católicos« ist, ein Parador (Tel. 981582200, Fax 981563094, Santiago@Parador.Es, jetzt 26.500 Peseten die Nacht, über 300 Mark, siehe Katalog).
        Die Stadt wandelt sich langsam in eine Bühne, Winkel, Wege, Aufgänge, Lauben, Kirchenfassaden, kleine Geschäfte, Laternen, wenig Leute. Später hat es richtig geregnet, auf die Platten der Gassen.
        Ich sehe mir noch einmal die Paradiespforte an, diesmal mit deutscher Führung, warte noch einmal weiter hinten gesittet sitzend auf die Messe (echte Pilger sitzen in der ersten Reihe, Polstersitz). Die Messe spare ich mir dann aber dank einer schrillen klösterlichen Vorsingerin. Lieber einmal dem hilfreichen Apostel hinter dem Altar auf die Schulter gelangt – er soll jähzornig gewesen sein, der »Donnersohn« (Michelin-Führer) – und noch einmal zur Gruft mit dem Silberschrein hinunter.
        Anschließend Museen, alle kostenlos und sehr gut gemacht übrigens: das Pilgermuseum (deutsches Heftchen dazu) mit einer interessanten Bildergeschichte des Dombaus, das Monasterio de San Martín Pinario (Mosteiro de san Paio de Antealtares – man achtet hier aufs Katalanische, Gallego genannt, während das »Spanische« Castellano heißt).
        Zum historischen Abschluss das Museo do Pobo Galego außerhalb der Ringstraße – das allerdings gerade schloss, sieben Uhr. Ich durfte noch schnell die berühmte dreiläufige Wendeltreppe bewundern.
        Daneben liegt das Museum für zeitgenössische Kunst (Centro Galego de Arte Contemporanea, www.cgac.org) und hat länger auf, gebaut vom portugiesischen Architekt Alvaro Siza, ein postmoderner Bau nach Art des Frankfurter Kuchenstücks, nur flacher und kleiner, aber mit ähnlichen zulaufenden Räumen in Weiß. Toll eine Holztreppe, die in die Zimmerdecke zu führen scheint (in Deutschland mangels Außengeländer vermutlich nicht möglich). Interessante Stücke von Hans Hemmert (dünne, gelbleuchtende Latexblasen mit drin, unsichtbar, dem Künstler, der dann zum Beispiel Vespa fährt oder ein Baby hält. »Autofahrt 1996«); von Frank Thiel Fotos als Bilder vom Bauen aus Berlin nach der Wende (am Alex, ein Betonfundament Stadt 2/29 1998) und humorvolle Schwarzweißfotos von Chema Madoz, etwa eine von einer Schraubzwinge festgehaltene Klaviertaste.
        Danach in einer Pizzeria Nudeln Carbonara gegessen; aber auch die gelingt es hier zu verkorksen: Die Schinkenstücke sind knorpelhart. Im Regen heim und jetzt in der Wirtsstube unter einsamen Abendessern mit Fußball aus dem Fernseher Tagebuchschreiben.

    7. Tag, Mittwoch, 17. November 1999, Santiago, nicht nur virtuell

       Letzter Tag hier, also früh heraus – was in Spanien so »nach Neune« ist –, die Straßen noch nass von der Nacht. Durch den leeren Dom zuerst ins Museum zum Heiligen Land (Museo de Santa Terra), kein Mensch, nicht einmal ein Aufpasser. Das Licht sprang mir von Saal zu Saal sensorgesteuert voran. Santiago ist so reich mit Schätzen, dass sie schon keiner mehr ansieht, schade. Ein großes Modell der Basilika vom Heiligen Grab, 1950 von Bruder Bartolomé de las Heras gezimmert, sein Werkzeug samt Metabo-Handbohrer ist mit ausgestellt. Ein Kapitell aus der Kreuzzugszeit vor 1187 mit Geschichten aus dem Leben des Heiligen Jakob von der Verkündigungskathedrale in Nazareth ist mir noch aufgefallen.
        Dann nebenan in das Hostal Hogar San Francisco gesehen – ***, Campillo de San Francisco, 3, Tel. 981572463, -4, Fax 981571916, DZ 10.300 Hochsaison (120 Mark), sonst 8500 Peseten (100 Mark). Ein sehr schöner, luftiger Renaissance-Kreuzgang.
        Die innen riesig hohe Kirche St. Martín Pinario, wieder eine Museum, habe ich auch noch besichtigt – der Eintritt ist überall frei –, die Kirche San Franzisco auch.
        Und dann erlebte ich durch Zufall einen Höhepunkt des Tages: »Santiago virtuell«, eine Ausstellung bis Ende Dezember 1999. An nichts wurde da gespart. Zuerst wurde ich dreidimensional laserabgetastet (gescannt), was wegen der geschlossenen Augen und dem einheitlichen Grau rein eine Totenmaske produzierte. Für 100 Peseten, ’ne Mark, durfte ich sie mir auf Diskette mitnehmen (meine Datei Santiago.wrl). Dann entdeckte ich, dass mehrere Kameras auf den Gebäuden und im Dom das Geschehen dort alle zehn Sekunden live ins Internet übertragen, sogenannte Web-Kameras oder WebCams. Entweder man tastet sich von www.Xacobeo.Es durch, oder man adressiert zum Beispiel mit www.crtvg.es/CamWeb/camweb.html direkt die Kamera am Domplatz gegenüber dem Treppenaufgang zur Paradiesespforte [Nachtrag April 8: xacobeo.es ist schlecht zu erreichen, die Domplatz-Webcam ist auf www.crtvg.es/camweb/index.asp?id=9&mn=COR]. Anschließend hab’ ich natürlich Gisela angerufen und ihr internett zugewunken, ebenso Michael Spehr von der FAZ und Freund Emmelmann, der das Bild festhielt (mit Alt-Druck in die Zwischenablage) und mir zu-e-mailte, damit ich mich am Abend im Hotel selbst sehen konnte:


       
        Besonders beeindruckend muss der elektronische Blick in die Kirche während der Pilgermesse sein, etwa 12.50 Uhr, wenn das Weihrauchfass geschwenkt wird. Eine andere Kamera [www.crtvg.es/camweb/index.asp?id=10&mn=COR] beobachtet unbeweglich die südliche Dompforte, die Puerta de las Platerias mit den romanischen Figuren und den Platz mit dem Spritzbrunnen davor. Diese fixe Kamera wäre für Winke-Winke eigentlich noch besser geeignet gewesen ...
        Im virtuellen Santiago hinterließ ich dazu noch mein Portrait in einem Mosaik, das ab 2000 im Internet zu sehen sein wird; nur nach Fritz Joern suchen, ich bin dann rechts oben im Blauen!
        Als nächstes gab’s einen Dombesuch dreidimensional – mit ordentlich echtem Weihrauch aus dem Boden, als das Weihrauchfass beängstigend plastisch auf die Polfilter-bebrillten Zuschauer (zwei) zuschwang. Im Ernst: Die romanischen Statuen waren, da aus Augenhöhe gefilmt, besonders gut zu sehen.
        Zum Schluss dank einem Silicon-Graphics-Onyx-Bildbearbeitungsrechner und 13 Gigabyte Daten noch ein Sonderflug über Galizien auf einer zwei mal drei Meter großen Leinwand. Einzelne Städte, sogar Dörfer wie Mondarizo konnten über ein Menü angeflogen werden. Zwischen Landkarte und Naturansicht (in zwei Schärfen) konnte gewechselt wechseln. So habe ich die Kathedrale von Tui noch einmal gesehen, diesmal von oben und von der Seite, viel schöner als in Wirklichkeit!
        Ja, Fußpilger bekommen in Santiago eine kirchliche Bestätigung auf gelbem Röllchen, die lateinische Compostela (»Capitulum hujus Almae Apostolicae ... notum facio – es folgt der Name – hoc sacratissimum Templum pietatis causa devote visitasse«). Web-Pilger wie ich lassen sich zum Beweis ihrer Reise einfach über das Internet ansehen. (Pilger sind diejenigen, die neben anderen Frömmigkeiten zu Fuß oder zu Pferd mindestens hundert Kilometer oder mit dem Rad zweihundert Kilometer machen, nachweislich! Oficina de Acolgida al Peregrino in der Casa del Deán, Rúa del Villar 1, http://www.archicompostela.org, Oficina.Peregrinos@Planalfa.Es. Ein guter deutscher Pilgerführer ist: »Praktischer Pilgerführer« von Millán Bravo Lozano, Everest-Verlag, ISBM 84-241-3835-X) Eine Glosse und Details unten.
        Mittags um zwölf war ich noch einmal in der Pilgermesse. Der Bischof begrüßte die Pilger (mit Rucksack) sogar in Deutsch, und das frei! Nach weiteren Sprachkünsten (galizisch, italienisch) war mir die spanische Predigt dann eher uninteressant, ich schlich mich weg, da rief gerade Freund Herneid aus München an. Gleich wieder zurück zum Gottesdienst: das gemeinsame Singen, frontal dirigiert, klappt gut, besonders beeindruckend beim lateinischen Paternoster. Schließlich wieder das Weihrauchschwenken, das ich mir heute ideal vom Querschiff her angesehen habe. Ein Flaschenzug ist das nicht, nur im »Himmel« eine Achse mit zwei Spulen, eine für den Weihrauchkessel, eine für das Zugseil, das sich unten teilt, damit die sieben (gezählt!) starken Männer es manövrieren können. Anschließend – sofort gedämpfter – Applaus ...
        Der Nachmittag ging dann entspannt drauf mit Wandern durch die Stadt – die Quergassen sind zum Teil nur eineinhalb Meter breit –, mit Ansichtskartenschreiben, Beobachten eines geschickten Spielautomatenleererpaares, Unterhaltung mit französischen Studentinnen in einem Kaffeehaus – die Stadt ist voll von Studenten, die Medizin-Fakultät besonders bekannt – und Medailleneinkaufen (bei der schönsten Verkäuferin, die ich je sah, wie aus dem Fotoroman [Fotonovela]).
        Ein zentrales, einfaches Hotel in der berühmten Rúa do Vilar, 65, Tel. 981586523, Hostal Uso, hab’ ich mir noch notiert, DZ 5350 Pesten Hochsaison (63 Mark), sonst 4280 (50). Nur das Auto davor stehen lassen, wie bei meinem, das geht dort nicht.
        Brot, Käse und Wurst für die morgige Fahrt einkaufen, Wein zum Mitbringen, ins Hotel und dann routinemäßig ins Gasthaus zum Schreiben. Danach nach Empfehlung des Chefs – immer eher mürrisch – Salat gegessen und – nach hiesiger Art – Fisch mit Kartoffeln, grünen Schmuckerbsen in fetter, aber guter Soße.
        So, und jetzt ist es halb elf. Zeit, für heute Schuss zu machen. Ade Santiago. (Die Standardanrede ist hier »Óla!«, Wiedersehen »Vale!«, zur Freunde der Lateiner.) Asta mañana!

    8. Tag, Donnerstag 18. November 1999, Santiago-Lugo-Oviedo-Riegu

       Heute hieß es Abschied nehmen von Santiago, nicht schwer, bei dem Regen, Nebel, der Kälte (10 Grad), und doch ... 8.35 Uhr, Kilometerstand 103.416 km.
        Nordwärts auf der schönen, neuen Autobahn nach La Coruña. Die lokalen Sprachmatadore und Sprayer überpinseln gern die Ortsschilder; besonders der bestimmte Artikel scheint es ihnen angetan zu haben, zumal sonst wenig Unterschied ist, jedenfalls nicht so viel wie in Südtirol zwischen Italienisch und Deutsch. Ich vermute, dass es bei den »Galenen« (ich nenn’ die Katalanen mal so, weil jeder Zahnstocher hier »Galexo« heißt) zum Beispiel »a« und bei den »Spaniern« (Kastilier) »la« Coruña heißt. Das x wird wie das spanische j ausgesprochen, unser ch. Das hatten die Römer wohl noch nicht, deswegen das Durcheinander und – im Deutschen – eine Langschreibung mehr (wie sch fürs englische ch oder das tschechische c mit Hatschek).
        Ich schweife ab, denn es geht wunderschön durch den Wald, Pinienwälder, wilde Farnwiesen, es könnte am Sam droben sein (unserem Südtiroler Hausberg), wenn nicht Eukalyptusbäume dazwischen stünden. Die Fahrt auf dem frischen Belag mit festgestellten 140 durch den feuchten »Tann« ist absolut ruhig, mein Radio ist aus, und der Sechszylinder tut elegant seine Arbeit mit genau 3000 Touren (U/min).
        Acht Grad, Nebelnässen, fast Nebel, hinunter ans Meer, lieblich, Ackerbau und Viehzucht. Schilfhalme, unten grünbuschig und spitz entblättert, säumen mit ihren langen hellen Hälsen und den Staubwedeln oben drauf die Straße. Nach 55 km Fahrt zweige ich zum Tanken nach Arteixo ab, südlich von Coruña, und verfahre mich saumäßig. Nachher wieder auf der Autobahn Frühstück mit Brötchen, Wurst und Käse bei Standgas. Lkws mit Gasflaschen. Um viertel vor 11 wieder an derselben Stelle, weiter Richtung Madrid. Bei Montesalgueiro über den Pass, 500 m. Es gießt. Um 11.11 Uhr geht’s über den Miño, »meinen« Fluss von Orense bis nach Portugal (dort »Minho«), der an Lugo vorbeifließt.

    Lugo

    Nach 200 km Ausfahrt Lugo-Nord, ohne Maut, und um halb zwölf in der Stadt mit der römischen Stadtmauer aus dem dritten Jahrhundert – und vielen verfallenden Häusern. Ich finde schnell einen Parkplatz am Tor nach San Franzisko (benannt, und sogar in Richtung ...), durchquere eilends die Stadt (ein verfallendes Haus ist in der Fußgängerzone einfach mit großen Eisenträgern abgestützt), sehe mir den Dom an (vollgebaut), den schönen romanischen Christus in der »Mandorla« und wandere in leichtem Regen über die Mauer zurück, klaue einen römischen Stein einer Ausgrabung – obwohl dieser Ringweg erkennbar eher etwas für Hundeausführer und Jogger ist. Ich kaufe noch Andenken bei einem modernen Trödler (»Second-Hand-Shop«).
        Ab aus Lugo um halb eins, km 212, 11,5 Grad, einmal herum um die Stadtmauer, meine Pilotin heißt das auch gut, obwohl sie meint, mich immer noch hinein nach Lugo zu leiten. Dann gebe ich ihr Ribadeo vor, an der Nordküste, da mag sie wohl hin, obwohl es da an der N-640 wieder an den üblichen Clubs vorbeigeht ... Eine starke Verkehrsstraße eben. Meine Frau lässt mich einen virtuellen Kreisel fahren, hat wohl beim Kartenlernen nicht so genau aufgepasst, der Kreisverkehr ist erst 150 Meter weiter. 84 km bis Ribadeo laut Straßenschildern, sie meint optimistisch 72. Egal, es geht breit und zügig dem Meer entgegen, zweimal durch ein Casanova (wir täten halt Neuhäusl sagen), rechts wieder riesige Farn-»Wälder« und vor mir Lkws. 575 m der Alvaro-Pass.
        Bei Vegadeo am Meer verfahre ich mich wieder in die Berge. Also zurück, wieder die Palmen am Straßenrand bewundert, und Richtung Luarca und Oviedo. 14 Uhr Castropol, halb drei Navia. Wolkenbrüche, Aufklaren, rechts Berge und Bahnviadukte, links Meeresbuchten und in der Mitte ich auf der Schnellstraße (vor Navia), ebenfalls auf einem Viadukt. Die Bahn ist einspurig und so verwunschen, dass man die Bahnbrücken römisch nennen könnte. Die müsste man mal im Sommer fahren. Im Wind vor mir wiegen sich Eukalyptusbäume. Sie winken fast dabei, wie feine Federn, anders als Fichten oder andere Laubbäume find’ ich.
        Mal in die Berge (160m), mal wieder auf Meereshöhe, immer mit Kurven. Bei Steigungen ist gern Überholverbot, das gerade dort keines ist, weil extra eine Langsamfahrspur da ist, einmal mit einem Eselsgespann mit Frischfutter drauf. Auf Stelzen gesetzte Heustadel: drunter ein festes, viereckiges Haus, dann einen halben Meter Luft, dann die Holzhütte drauf, sonderbar.
        Langsam nerven die Kurven, die Lkws, sogar meine Pilotin, die sich immer wieder fängt und dann »dem Straßenverlauf sehr lange folgen« plappert. Doch jetzt, nach 400 km Fahrt, wieder Autobahn Richtung Oviedo, dahinter die verschneiten Kordilleren, super!

    Oviedo und Naranco

       Um vier nach Oviedo hinein, »Baedeker-Sterne abfahren«. Im Dom in einer seitlichen, höhergesetzten Kapelle, der Cámara Santa, wirklich besonders schöne, ganz schlanke romanische Säulenapostel und viel Gold im Schatz – was mich nach Aachen nicht mehr aufregt. Leider darf ich die Apostel nicht photographieren, der Wärter spricht in ihrem Namen – vielleicht, weil sie schlecht abgestaubt sind und zum Teil nachträglich angeflickte Nasen haben.
        Um fünf Uhr Abstecher nach Naranco, einem höhergelegenen Ausflugsort im Westen von Oviedo, der Mönchsberg sozusagen. Dort stehen ein paar hundert Meter auseinander zwei uralte (geschlossene) Kirchen, weiter oben San Miguel del Lillo, angeblich vor-romanisch, und Santa Maria del Naranco, noch interessanter, auch von außen doppelstöckig und eher wie ein fromm gemeinter Nachbau eines griechischen Tempels wirkend. »Worth a detour«, um’s mit dem Führer zu sagen. Beide stammen aus dem neunten Jahrhundert: San Miguel war die Kapelle und Santa Maria der Rittersaal Königs Ramiro I.
        Jetzt aber, 450 km hinter mir, 20 vor 6, noch ein bisschen gefahren. In der Rushhour durch Oviedo – die Spanier können’s flüssiger, find’ ich – und ein Stück Autobahn, immer Richtung Santander. Doch bald ist’s dunkel, die Autobahn zu Ende, irrer Verkehr, und meine alten Überholkenntnisse kommen wieder zu Ehren: Automatik runterschalten und ab.
        Nachts habe ich bei kurvigen Strecken das Gefühl, immer weiter nach rechts zu kommen, als führe ich in einem ganz großen Kreis herum. Wird die Erdkrümmung sein.
        Ich fahre noch bis halb acht (575 km 103.991) bis zum Hotel Mirador an der Playa de la Franca, wo ich 1974 von Genf aus mit Brigitte und dem BMW 2002 war. Alles ist winterlich zu; wenige Meilen zurück zu einem (angeblichen) Zweisternehotel an der Straße, das Hotel-Restaurante-Asador Riega in Vidiago bei Llanes in Asturien, Tel. 985411011, Fax und Tel. 985411182, für sagenhafte 2.675 Pesten (31 Mark), nur leider zur Vorderseite hinaus, laut wie drei Reuterstraßen in Bonn.
        Statistik: 12,5 Grad, 583 km, 104.000 – und doch gut geschlafen ...
       
    9. Tag, Freitag, 19. November 1999, Nordspanien-Bordeaux

       Schwerer Abschied von Spanien, letzte Romanik, etwas Romantik, dann aber Industrie und Technik pur, Regen, Ärger, und zum Schluss ein gutes Motel vor Bordeaux.
        Hinaus ging’s bei acht Grad und unwirtlichem Wetter nach einer trotz Lärm guten Nacht auf die regennassen Straßen, gegen halb neun (km 103.999). Bisschen müde und hungrig bin ich schon, mein Hals ist steif; hatte gestern Abend das letzte Landliebe-Joghurt aus Bonn mit Kaki aus Lugo gegessen – letztere leicht zermatscht – und unten noch ein Bier getrunken; mich geärgert, dass der etwa achtjährige Junge des Hauses in der Schankstube allein vor dem Fernseher saß, und ich nicht genügend Spanisch konnte, um beim Herrn des Hauses eine entsprechende Bemerkung zu machen. Es lief eine spanische Seifenoper mit dummen Zweideutigkeiten.
        Beim Losfahren Wolkenreißen, Meer, Landschaft. Ich halte bei einem dieser versteckten Bahnübergänge neben einem Landsitz mit Hund, und gerade wie ich denke, da fährt aber schon lange keine Bahn mehr, kommt ein Güterzug dahergestöhnt – zwei Dieselloks davor. Romantische Gegend, wildes Meer, am Horizont ein Fischerboot.
        Ich zweige noch einmal zum Strand von La Franca ab, von der Straße versteckt sind dort zwei Campingplätze (»Las Hortensias«, 1a cat.) und eben das Hotel Mirador, in dem wir 1974 waren. Alles noch wie früher, das gelbe, wenig attraktive Haus, Parkplatz, Einfahrt, jetzt ganz leer, abmonierte öffentliche Telefone, nur die Abfalleimer sind noch voll; ein Mann beim Vernageln eines Fensters, sein Hund läuft mir nach; unten die Bucht mit dem Sand und dem hinter einem Steinwall einfließenden Bach, angeschwellt, braun und reißend wie alle Flüsse aus dem Gebirge heute nach diesen Regentagen. Am Strand fast keine Muscheln, nur zivilisiertes Strandgut und verwaschene Dosen, Flaschenpost ohne Post, rundgeriebene Ziegel – und ich in Gedanken ...
        Bis die Sonne aufging hab’ ich noch schnell gefrühstückt, salzige Landjäger aus Kessenich und salzloses Brot aus Santiago (»mögen Sie das wirklich?«), Sprudel aus Aachen – und ein vorwitziges lokales Rotkehlchen, das wohl die Touristen vermisst, sah zu.
        Um viertel vor zehn endgültig Abschied vom Meer, den Wellen und den Wolken drüber, und doch noch schnell ein paar Pflanzenmuster gepflückt, ein Schilfwedel, braun »blühender« Judenstrick, rote Hagebutten, schwarze Ichweiss-nicht-was-Beeren.
        Durch den Weiler La Franca, etwas Sonne, viele Hotels, und noch 75 km bis Santander. Endlich draufgekommen, dass »cambio del sentido« weder ein sehr populärer spanischer Ort noch eine Bezeichnung für Geldwechsel ist sondern schlicht Fahrtrichtungsänderung, ein Umkehren. Dafür gibt’s in Spanien überall extra Möglichkeiten – praktisch, tröstlich ... und sehr undeutsch. Auf der alten Straße, die die neue wie ein Altwasser umschlängelt, kann man gut stehen bleiben und fotografieren. San Vicente de la Barquera, Bucht, Brücke, Brackwasser, Hafen, Fluss, Burg und Kirche – letztere hatte ich 1974 in der Sommerhitze besichtigt, ich erinnere mich noch daran, jetzt wo ich das schreibe ... Überhaupt erlebe ich diese Ferien mindestens doppelt, weil ich darüber Tagebuch führe, und vielleicht mag’s wer lesen und freut sich dran:
        Hügelige, wunderschöne Landschaft, links das Meer, wallende Anhöhen, rechts die Berge wie nach meinem Motto: »Und dahinter die Berge!« Unten grün und braun, sogar die Lagunen leicht moosgefärbt, oben der Himmel wolkenweiß und bayrischblau.

    Altamira, Santillana
       
        Zehn nach zehn, erst 25 km gefahren. Halb elf, Treseño, und ich denke schon, ich bin die falsche, die gewundene Küstenstraße gefahren, sehe dann aber, dass es dort zwei Treseños gibt. Das dritte :-) hab’ ich nicht gefunden ... Der Rio Saja hinter Cabezón de la Sal reißend und sichtlich übervoll. Autobahn, Regen, dann Ausfahrt Puente San Miguel – eine etwas größere Bahnstation – und nach Santillana del Mar. Vorher noch bei den Altamira-Höhlen vorbeigeschaut. Wir hatten sie 1974 noch einfach so en passant besichtigt, heute ist die Wartezeit nach Anmeldung mindestens drei Jahre! (Wer die Höhlenmalereien wirklich gut sehen will, sollte das Deutsche Museum in München besuchen.) Dafür war Santillana schön, ein mittelalterliches Dorf (neu-edel) mit altem Waschplatz (überlaufend vom Regenwasser) und Andenkenläden (viel Grust und wenig Leute), mit Lautsprechergregorianik in der Kirche und doch einem sehr, sehr schönen Kreuzgang, den mir den Beauftragte für 300 Peseten extra öffnete; am Altar die vier Evangelisten. Das war mein Abschied von der Kunst. Auf Kopfsteinpflaster zurück zum Auto, ab nach erst 69 km, 104.070, 12 Uhr.

    Steilküste, Industrie, Bilbao und Frankreich

       Dann die Fahrt weg: Erst Herumgeirre über Autobahnen in der Industrielagune von Santander, Bay Area Traffic, Schilf in der Sonne leuchtend, noch einmal in Fülle die Küste und die Berge und die Wälder, am schönsten wohl vor Castro-Urdiales. Ich habe herrliche Sonne.
        Bei Mioño Santullán (hinter Castro-Uriales) wird ein ganzer Berg abgebaut. Wieder Industriegegend. Auf den Hügeln, wo bei uns ein Krankenhaus thronen würde, hier zum Beispiel Gastanks oder ein Containerlager. Aus einem Schornstein in Sestao, knapp vor Bilbao, schwefliger Rauch, der im Gegenlicht der Sonne changiert.
        Ich rufe Katja in Bilbao an und entschließe mich, nicht ihre nette Einladung zum Tee um vier anzunehmen. Ich will weiter.
        Autobahnen dreistöckig, »Fremde über Fremden« (Valentin). Viertel nach eins in Bilbao, erster Autobahnstau, ein Unfall in der Arizgoiti-Gegend, wo sich ein kurzes Stück zwei Autobahnen treffen, ein Kameramann rennt vor, Polizisten winken und pfeifen, damit wir schneller vorbeifahren; zwei große Autokräne stellen einen Lkw wieder auf. Auf der anderen Seite genauso Stau bis durch den Tunnel (nach Basauri). Nach mehr als einer Stunde Verlust bin ich wieder flott, gestärkt durch meine Nickerchen im Stau. Immer noch »im Hintergrund die Berge«. Waldgebiet. Braune Tourismusschilder empfehlen baskisch völlig Unlesbares. Bei Zestoa rechts oben am Berg ein schweißhelles Licht unbekannter Herkunft, wie eine Erscheinung.
        Irun, die Grenzstadt, die ich von einem Treffen mit meiner seligen Großmutter in angenehmer Erinnerung hatte (wir trafen am 11. August 1962 Heinz nach einer Fahrt von Bozen), Irun wollte ich meiden. Aber der Tank lief leer, und statt dass ich in meinem eigenen Tagebuch weiter oben nach der Tankstelle in St Jean de Luz sehe, fahre ich nach Irun hinein. Irrungen und Wirrungen, dreimal denselben Mautwächter gesehen, zum Schluss eine Esso-Tankstelle, die mir den Magnetstreifen meiner Shell-Karte kaputtmacht. Eine halbe Stunde nur für das Tanken, bis sie mich auf Kosten des Hauses weiterfahren lassen – dabei hatten sie die Karte extra noch vor dem Tanken geprüft und für gut befunden! Ärger, denn die Karte geht jetzt nicht mehr, jedenfalls nicht mehr ohne umständlichen Papierkrieg. Fünf Uhr, 345 km, »Ongi joan!« – gute Reise auf baskisch.
        352 km Grenze, ich fahre an vielen, armselig wartenden Lkws vorbei. Meine Frankreich-Frau (die Navigations-CD) in den Kofferraum gepackt, Paris eingestellt, das geht nicht, weil sie alle möglichen Arrondissements haben will, also einfach Valenciennes, oh Gott, acht Stunden Fahrt.
        Bayonne zwanzig vor sechs, vor mir großes Blitzgewitter, Tempo 150. Dann die gefürchtete Landstraße, »Carrefour«, nach Bordeaux 112 km, 18.21 Uhr, 456 km, 4 Grad Celsius, stockdunkel, starker Regen, 110 vorgeschrieben, auf 130 Maximum gestellt. Erster deutscher Fernfahrer. Vor Kurven Rubbelflächen zum Aufwachen, Rappel 110, Bordeaux kommt näher, wieder Autobahn, 19 Uhr, rechts weite Wasserfläche, mondbeschienen. Aire Cestas, am Parkplatz kleiner Kofferraum-Warenhandel, ich 550 km gefahren, 104.551, 4 Grad, 19.11 Uhr, und Quartier gemacht für 295 Franken oder 45 Euro (egal ob für einen oder zwei; Hotel Campanile an der A63, Campanile@Multiware-Info.Fr, 0557978700, Fax 0557978713). Ein perfektes klassisches Motel: parken davor, herinn Telefon mit großer, dicker Direktrückrufnummer am Hörer, Elektroheizung mit Thermostat, im Bad Ferkelwärmer mit Zeituhr (Atomstromland Frankreich), Waschbeckenstöpsel (wir sind ja nicht mehr in Spanien ...), richtige Waschlappen zum Reinfassen; abgehängter Fernseher mit Digitalzeitanzeige, Kaffeeautomat, mein Schukodreifachstecker für PC- und Handylader passt, nur kein Western-Anschluss für den Notebook und seine E-Mail. Das muss bis morgen warten.
        Komisch, dass in den Hotels immer noch Zettel ausgefüllt werden, statt einfach nur den Ausweis zu fotokopieren ...
        Es ist halb zehn, bis ich die Klappe zumache, die vom PC. In der Früh’ habe ich für das Tagebuch bei Nescafé noch weitere eineinhalb Stunden zugegeben – so was geht nur allein ...

    10. Tag, Samstag, 20. November 1999, heim

       Ich ziehe mich etwas schöner an für die Ankunft. Ab um viertel nach acht, 1 Grad Celsius, die 551,1 km vom Vortag gelöscht, 104.552. Bewölkt. Nach Valenciennes – das ich als Ziel eingegeben habe – sind’s angeblich 809 km gleich 6 Stunden 39 Minuten ... Allerdings ist meine Pilotin immer etwas zu optimistisch! Und bei jedem Start des Motors will sie neu gebeten werden, in Aktion zu treten. In Deutschland ist das nicht so. Echt um halb neun los, da noch Luft geholt für die Reifen.
        In Bordeaux fahre ich anders als sie will, auch das kein Problem. Garonne nach 20 km. Wie solide Franzosen stelle ich auf 150, 3200 Touren. Über die Dordogne im großen Bogen um 8.54 nach 38,4 km, weiter unten die alte Bahnbrücke. Verfallene Landwirtschaft, ein schnell überholender Mercedes SL. Paris 540 km – alle Straßenkilometer messen von dort. Royan, flach, wenige Hügel, Mini-Toskana. Leere Autobahn wie in Ostfriesland, die Begrenzung unsinnig. Überholvorgänge werden zum Vorbeigleiten, man kann Grüße austauschen. 9.25 Uhr Pons (pons, pontis?). 9.37 über die Charente, leise Sonne, feine Stimmung, ein halbes Grad. 10 Uhr 190 km, Niort, immer noch in der Ebene, 1 Grad, keine Sonne. Dann geht’s bis auf 150 m hoch, Nebel, in den Tälern die schon blattlosen Pappeln überhäuft mit Mispeln.
        10.15, die »Tramezzini« von der Tankstelle sind reine Pampe, Filet de Poulet rôtis. 10.40 Uhr, km 282, Poitiers, 160m. Über die Poivre. Ein Metro-Markt, Lastzüge aus Portugal, die armen! Ein Zukunftsvergnügungspark mit tollen Gebäuden und Hotels. Beinahe Schnee.
        Um 11 schon 303 km gefahren, Paris noch 300, Regen. Wechselweise schräg oder sonst senkrecht polarisierter Autobahnfunk, 107,7 MHz. Die Mauten und das Tanken klappen auch ohne Magnetstreifen – man soll sich nie, nie aufregen: Das wirkliche Leben ist einfacher als man denkt! Km 323 über die Bienne. Die Loire-Schlösser: Was wird von unserem 20. Jahrhundert bleiben, das eine Reise wert ist? Um halb zwölf über die breite Loire. Verkehr immer dichter. Kurz vor 12 Blois, kein Regen.
        Was wohl »Intexo« heißt – man liest’s ins Spanien oft, sogar auf einem Lkw. Dieses x für ch hätten die Deutschen bei der Rechtschreibreform auch einführen sollen, ’s ist viel kürzer: »Mixel, max mix nixt an!«
        480 km Orleans. Ist schon bequem mit einem großen Wagen! Man sollte zu zweit fahren, in einem Kombi, da kann einer schlafen. Vor Paris wieder Fast-Schnee. Ob Graben und Wall rechts neben der Autobahn wirklich die Leitplanke gut ersetzen? Dreispurig, leer, und geschwindigkeitsbeschränkt...
        20 km vor Paris um zehn vor eins die Maut. Riesig hohe Hochspannungsleitungen, wie viele Volt wohl?
        Nach 580 km um ein Uhr in Paris, wieder notorische Linksfahrer, und meine Pilotin führt mich mit weiser Voraussicht (»demnächst links – oder rechts – fahren«, damit man sich schon mal einordnet) und perfekt getimt durch Paris. Allein hätte ich das nie so gefunden! Périphérique fluide – aber eher durch den Regen. Ein Blaulicht springt von Spur zu Spur, ein Taxi, das mit mir vom Flughafen Orly zum Charles de Gaulle fährt, ist auch nicht schneller als ich. 13.33 Uhr, km 626, Charles de Gaule. Klasse! Ein Air-France-Flugzeug rollt über mich hinweg.
        Tanken 14.30 bei der Ausfahrt Compiègne, die Brötchenstange von denen ist noch matschiger. km 748, 14.54 Uhr über die Somme. Schlachtdenkmal aus dem »großen Krieg«, unserem zweiten.
        Valenciennes – das Stahlwerk – bei km 815 um 15.23 Uhr. Ich kenne die Strecke, das leere Industriegebäude. Vier Uhr in Belgien, 100 km bis Lüttich, ich 140, Autobahnlaternen, die mir später noch nützlich sein sollten. 933 km, halb fünf, es wird immer kälter, Schnee. Mehr Schnee, es schneit. Null Grad. Langsam! Die Überholspur ganz weiß. Unter null. Dann kein Schnee mehr, aber klarer Mond, fast voll, weiß über Weißem, es wird noch kälter, Streudienst – und hoppla: Glatteis. Wir stehen bei Herve, glücklich, denn andere touchierten Leitplanken und andere. Vier Karambolagen in Folge, gedrehte Wagen, ein querstehender Militärauflieger, vorne kaputt, jeweils nur ein paar hundert Meter auseinander.
        17.18 Uhr, tausend Kilometer gefahren. Bei -1 Grad langsam übers Glatte. Schön, dass die Lampen an sind: das gelbe Licht lässt die Straße wie bei Tag übersehen – und macht die verscheiten Zeige geisterhaft heimelig. In Deutschland dann, 17.41 Uhr, Dunkelheit und Raserei – bis zum Stau in einer einspurigen Baustelle. Die automatische Geschwindigkeitsregelung zeigt den Stau zu früh, man glaubt’s ihr nicht.
        Vor Bonn dann auf der A 555 zur Freude 230 km/h, und um 18.43 Uhr nach 1122,3 km Fahrt an diesem Tag zu Hause!

    Statistik:
        4.786 km
        10 Filme

    Weitere Texte:

    Nicht veröffentlichte Glosse:

    sola vide – nur fromm gucken

       Wer recht will Pilger-Reisen, jedenfalls nach Santiago, der muss sich seit Alters her einen Pilgerbrief ausstellen lassen, Credencial genannt, muss täglich stempeln und vor allem mindestens hundert Kilometer zu Fuß oder zu Pferd gen Compostela ziehen, Radfahrer das doppelte. Kommt die nötige Frömmigkeit dazu, dann gilt die Tat etwas vor dem Herrn, wenigstens vor dem kirchlichen Pilgerbüro: Der Secretarius Capitularis stellt eine lateinische Bestätigung aus, die Compostela, womit man zu Hause belegen kann, dass man es geschafft hat. Das gelbe Röllchen wird stolz auf den Rucksack geschnallt, wenn es alsdann zur Zwölf-Uhr-Pilgermesse geht. Soweit die Sitten seit dem vierzehnten Jahrhundert. Inzwischen gilt wieder sola fide nach Römer 3,28 – eine Pilgerreise ist eher zu einer sportlichen Gelegenheit geworden, veranstaltet von Touristik-Unternehmen. Pilger wandern bunt bekleidet wie Jogger, Camper oder Skiläufer. Und für den Technikreisenden genügt ein Handy zum On-line-Beweis seiner Fahrt. Damit stellt er sich mitten vor die Kathedrale und ruft daheim an, empfiehlt den Internet-Browser anzuwerfen und die Adresse www.Xacobeo.Es einzustellen. Dann winkt er den fernen Ungläubigen über eine der hoch über den Häuptern angebrachten Videokameras zu. Das weltweite Web macht’s möglich.

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       Auskunft gibt das Pilgerbüro Oficina.Peregrinos@Planalfa.Es.

       Xacobeo ist von Jacobeo abgeleitet, dem Jahr des heiligen Jakob, galizisch mit X geschreiben, 1999. Das Año Santo Compostelano wird gefeiert, wenn der 25. Juli, das Fest des Martyriums des Apostels Jakobus auf einen Sonntag fällt. Die heilige Pforte, eine Hintertüre der Kathedrale gegen Osten, wird dann geöffnet. Nach 1999 ist das nächste heilige Jahr 2004. 1991 kamen 25.179 bestätigte Pilger aus 72 Ländern.

       Im heiligen Jahr gibt es einen vollkommenen Ablass, wenn man in der Kathedrale ein Vaterunser und ein Glaubensbekenntnis für die Absichten des Papstes betet, 15 Tage vorher oder nachher beichtet und kommuniziert.
        Beichtväter, die rechtmäßig die Beichtbefugnis besitzen, dürfen in der Kathedrale, in den Stadtpfarreien und am Monte do Gozo die Beichte abnehmen. Sie sind ermächtigt, die Beugestrafen »latae sententiae« nachzulassen, ausgenommen diejenigen, die dem apostolischen Stuhl vorbehalten sind (vergleiche CIC Kapitel 1367, 1370, 1378.1, 1382, 1383) und unbeschadet der Vollmachten, die ihnen die Kapitel 976 und 1357 einräumen. Die Beichtväter dürfen ebenfalls Gelübde und Versprechungseide unter den Bedingungen dispensieren beziehungsweise umwandeln, die vor der Kirche festgesetzt sind (vergleiche Kapitel 1196 und 1203).

    Ansteuern entweder:
        http://www.Xacobeo.Es (oft langsam oder schlecht)
        und sich durchklicken
        oder direkt zum Beispiel für die genannte Kamera am Obradoiro-Platz:
        www.crtvg.es/camweb/index.asp?id=9&mn=COR bezw. der Pilgerpforte (id=10).

    Adressen des Pilgerbüros Oficina de Acogida al Peregrino
        http://www.ArchiCompostela.org
        mailto:Oficina.Peregrinos@Planalfa.Ed
        Tel. +34-981-562419 und +34-981-566577
        Fax +34-981-566030
        Rúa del Vilar 1, 1. Stock, 9-21 Uhr

    Römer 3,28: So halten wir denn dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

    (Xacobeo.doc)

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