Werner Siemens*)

Ueber Telephonie.

(Gelesen in der Berliner Akademie der Wissenschaften am 21. Januar 1878.)

Die überraschenden Leistungen der elektrischen Telephone von Bell und Edison nehmen mit Recht auch das Interesse der Naturforscher in hohem Maasse in Anspruch. Die durch sie angebahnte Lösung des Problems der Uebertragung der Töne und Sprachlaute nach entfernten Orten verspricht der Menschheit ein neues Verkehrs- und Kulturmittel zu geben, welches ihre socialen Verhältnisse wesentlich beeinflussen und auch der Wissenschaft wesentliche Dienste leisten wird! Es erscheint daher angemessen, dass auch die Akademie diese so viel versprechenden Erfindungen in den Kreis ihrer Betrachtungen zieht.
   Die Möglichkeit, nicht nur Töne, sondern auch Klänge und Sprachlaute in grösseren Entfernungen mechanisch zu reproduciren, ist theoretisch durch Helmholtz’ bahnbrechende Untersuchungen, welche das Wesen der Tonfarbe und Sprachgeräusche klar legten, gegeben.
   Sind, wie er nachgewiesen hat, die Klänge und Laute nur dadurch von den reinen Tönen verschieden, dass letztere aus einfachen, erstere aus mehrfach über einander gelagerten Wellenzügen des den Schall vermittelnden Mediums bestehen, und sind die Sprachgeräusche als unregelmässige Schwingungen, mit denen die Vokallaute beginnen oder enden, aufzufassen, so ist auch die Möglichkeit gegeben, auf mechanischem Wege eine gewisse Folge solcher Schwingungen an entfernten Orten wieder hervorzubringen. Das praktische Leben ist hierin sogar, wie häufig der Fall, der Wissenschaft vorangeeilt. Der bisher nicht genug beachtete, sogenannte "Sprechtelegraph", bestehend aus zwei Membranen, die durch einen starken und dabei möglichst leichten Faden oder feinen Draht, der an ihrer Mitte befestigt ist, gespannt werden, bewirkt eine vollkommen deutliche Uebertragung der Sprache auf viele hundert Meter Entfernung. Der Faden kann dabei an beliebig vielen Punkten durch elastische Faden von einigen Zoll Länge getragen, kann auch, bei ähnlicher elastischer Befestigung an den Ecken, beliebige Winkel [p 354] bilden, ohne dass der Apparat die Fähigkeit verliert, selbst die völlig tonlose Flüstersprache mit vollständiger Deutlichkeit und Treue zu übertragen – eine Leistung, welche bisher kein elektrisches Telephon auszuführen vermag. Wenn auch dieser "Sprechtelegraph", richtiger dieses "Faden-Telephon", keinen praktischen Werth hat, da seine wirkung auf kurze Entfernungen beschränkt bleibt und durch Wind und Regen unterbrochen wird, so ist er doch deswegen höchst bemerkenswerth, weil er den Nachweis führt, dass gespannte Membranen befähigt sind, alle Luftschwingungen, von denen sie getroffen werden, in nahe vollkommener Weise aufzunehmen und alle Sprachlaute und Geräusche andrerseits wieder hervorzubringen, wenn sie auf mechanischem Wege in ähnliche Schwingungen versetzt werden.
   Reis versuchte bekanntlich zuerst, die Uebertragung von Tönen anstatt durch einen gespannten Faden, durch elektrische Ströme zu bewirken. Er benutzte die Schwingungen einer den Schallwellen ausgesetzten Membran zur Hervorbringung von Schliessungs-Kontakten einer galvanischen Kette. Die hierdurch erzeugten Stromwellen durchliefen am anderen Ende der Leitung die Windungen eines Elektromagnetstabes, der, mit passenden Resonanzvorrichtungen versehen, dieselben Töne annähernd wieder hervorbrachte, von welchen die von den Schallwellen getroffene Membran in Schwingungen gesetzt wurde. Es konnte dies nur in sehr unvollkommener Weise geschehen, da die Kontaktvorrichtungen nur bei den grösseren Schwingungen der Membran wirksam werden und auch diese nur unvollständig wiedergeben konnten.
   Bell scheint zuerst den glücklichen Gedanken gehabt zu haben, durch die schwingende Membran selbst. die zur Uebertragung ihrer Schwingungen dienenden Ströme hervorbringen zu lassen, indem er dieselbe aus weichem Eisen herstellte und ihre Mitte dem mit isolirtem Draht umwundenen Ende eines Stahlmagnetes sehr nahe gegenüberstellte. Durch die Schwingungen der Membran wurde nun die Anziehung zwischen Platte und Magnet und damit das magnetische Potential des umwundenen Endes des Magnetstabes abwechselnd vergrössert und verringert; es entstehen hierdurch im Umwindungsdrahte und der Leitung Ströme, welche bei der Kleinheit der Schwingungen der Platte den Schwingungen der Luftmasse entsprechende elektrische Sinus-Schwingungen erzeugen, die also im Stande waren, in einem, am anderen Ende der Leitung eingeschalteten, ähnlichen Apparate wiederum Membran- und Luftschwingungen hervorzurufen. Es bleibt hierbei ohne Einfluss, dass, wie du Bois-Reymond (Archiv für Physiologie, 1877, S. 573 und 582) nachgewiesen hat, in der empfangenden Membran die Phasen und Amplitudenverhältnisse der Partialtöne andere sind, als in der gebenden Membran.
   Ein wesentlich verschiedener Weg ist, wie es scheint, gleichzeitig [p 355] mit Bell, von Edison betreten. Derselbe benutzt eine galvanische Kette, welche einen dauernden Strom durch die Leitung sendet.
   In den Leitungskreis ist am gebenden Ende eine Schicht gepulverten Graphits eingeschaltet, welche sich zwischen zwei von einander isolirten Metallplatten in gelinder Pressung befindet. Die obere Platte ist an der schwingenden Membran befestig und drückt das Graphitpulver, den Luftschwingungen entsprechend, mehr oder weniger zusammen. Dadurch wird der Leitungswiderstand des Graphitpulvers entsprechend verändert, und hierdurch werden wiederum sinusoïde, den Luftschwingungen äquivalente Aenderungen der Stärke des die Leitung durchlaufenden Stromes hervorgerufen. Als Empfangsapparat benutzt Edison keine Membran, sondern eine andere, ganz eigenthümliche Vorrichtung. Sie beruht auf der Erfahrung, dass die Reibung, welche zwischen einem Metallstück und einem mit einer leitenden Flüssigkeit getränkten, gegen das Metallstück gedrückten Papierbande besteht, vermindert wird, wenn ein Strom durch das Papier zu diesem Metallstücke geht. Ich habe diese merkwürdige Erscheinung für den Fall bestätigt gefunden, dass der Strom so gerichtet ist, dass sich Wasserstoff an der Metallplatte ablagert, oder wenn das Metallstück aus einem nicht oxydirbaren Metalle besteht. Die Verminderung des Reibungscoefficienten durch den Strom rührt daher offenbar von elektrolytisch erzeugten Gasen her, welche sich auf der Metallplatte ablagern. Auffallend bleibt dabei aber die fast momentan zu nennende Schnelligkeit, mit welcher die Wirkung auch bei sehr schwachen Strömen eintritt.
   Edison befestigt nun die gegen das feuchte Papier gedrückte Metallplatte an einem Schallbrette und zieht das über eine Walze geführte, feuchte Papier durch kontinuirliche Drehung dieser Walze unter dem Metallstücke durch. Wenn nun das Metallstück und die metallene Walze in den Leitungskreis eingeschaltet sind, so bewirken die Stromänderungen, welche durch das stärker oder schwächer gepresste Graphitpulver hervorgerufen werden, äquivalente Veränderungen des Reibungscoefficienten zwischen dem am Schallbrette befestigten Metallstücke und denn Papiere, wodurch jenes in entsprechende Schwingungen versetzt wird, die sich dem Schallbrette und durch dieses der Luft mittheilen.
   Das Edison’sche Telephon ist sehr bemerkenswerth durch die Neuheit der Hülfsmittel, welche bei demselben zur Verwendung kommen, ist aber offenbar noch nicht zur praktischen Brauchbarkeit durchgearbeitet. Das Bell’sche Telephon dagegen hat in seiner merkwürdig einfachen Form in kurzer Zeit, namentlich in Deutschland, eine grosse Verbreitung gefunden, und es liegt bereits ein grosses Erfahrunbematerial zur Beurtheilung seiner Brauchbarkeit vor. Seine Mängel bestehen namentlich in der grossen Schwäche der reproducirten Sprachlaute, die für eins deutliches Verständniss ein Andrücken der Schallöffnung [p 356] an’s Ohr und andererseits ein unmittelbares Hineinsprechen in dieselbe erforderlich machen. Dabei ist eine stille Umgebung nothwendig, damit das Ohr nicht durch fremde Geräusche abgestumpft und gestört wird. Ein noch schwerer wiegendes Hinderniss seiner praktischen Verwendung besteht aber darin, dass es auch vollständiger elektrischer Ruhe bedarf. Da es ausserordentlich schwache Ströme sind, welche durch die schwingende Eisenmembran erzeugt werden und die andererseits die Eisenmembran des anderen Instrumentes in ähnliche Schwingungen versetzen, so genügen auch sehr schwache fremde Ströme, um die letzteren zu stören und verwirrende Geräusche anderen Ursprungs dem Ohre zuzuführen.
   Um mir Anhaltspunkte für die Beurtheilung der Stärke der Ströme zu verschaffen, welche im Telephon thätig sind, stellte ich ein Bell’sches Telephon, dessen Magnetpol mit 800 Windungen 0.10 mm dicken Kupferdrahtes von 110 Q. E. Widerstand umwunden war, in einen Leitungskreis ein, der ein
Daniell’sches Element [1,07 Volt – fj] mit einem Kommutator enthielt, durch den die Stromrichtung etwa 200mal in der Sekunde umgekehrt wurde.
   Ohne eingeschalteten Widerstand erzeugten diese Stromwellen im Telephon ein weithin hörbares, höchst unharmonisches und dicht am Ohr kaum zu ertragendes Geräusch. Durch Einschaltung von Widerstand verminderte sich dieses Geräusch, war aber bei Einschaltung von 200 000 Einheiten noch sehr laut vernehmbar. Selbst einfache Schliessungen und Oeffnungen der Kette waren durch diesen Widerstand noch deutlich als kurzer Schall vernehmbar. Wurden 6 Daniells eingeschaltet, so konnte man das Geräusch durch 10 Millionen Einheiten noch deutlich vernehmen. Schaltete man 12 Daniells [also ca. 13 V – fj] und 20 Millionen Einheiten Widerstand ein, so war das Geräusch entschieden deutlicher als im vorhergehenden Falle. In gleicher Weise fand ein Zunehmen seiner Stärke statt, als man 30 und 50 Millionen Einheiten mit 18 resp. 30 Daniells [ca. 19 bezw. 32 V] einschaltete. Es ist dies eine Bestätigung der Beobachtung von Beetz, dass der Elektromagnetismus bei gleicher Stromstärke schneller in Leitungskreisen von grossem Widerstande mit entsprechend grösseren elektromotorischen Kräften hervorgerufen wird als in Leitungskreisen mit geringem Widerstande und verhältnismässig geringeren elektromotorischen Kräften, das die in den Windungen des Elektromagneten auftretenden Gegenströme in letzterem Falle mehr zur Geltung kommen, als in ersteren.
   Schaltet man in den Leitungskreis des Kommutators die primäre Spirale eines kleinen Voltainduktors, wie solche von Aerzten gewöhnlich verwendet werden, während Telephon und Widerstandsskala sich in dem Kreise des sekundären Drahtes befanden, so erhielt man mit einem Daniell noch ein laut schallendes Geräusch bei Einschaltung von 50 Millionen Q. E., was selbst dann noch deutlich hörbar war, [p 357] als man die sekundäre Spirale ganz bis zum Ende der primären zurückschob.
   Diese grosse Empfindlichkeit des Bell’schen Telephons für schwache Ströme macht es sehr brauchbar als Galvanoskop, namentlich zum Nachweis schwacher, schnell sich verändernder Ströme, für welche es bisher kaum ein anderes Prüfungsmittel gab, als die Zuckungen des Froschschenkels. Auch bei Widerstandsmessungen mittelst der Brückenmethode wird das Telephon oft mit Vortheil anstatt des Galvanometers im Zweigdrahte der Brücke verwendet werden können. Es ist hierbei aber nöthig, nur gerade, in grösserer Entfernung von einander ausgestreckte Drähte als Widerstände zu verwenden, da anderenfalls Störungen durch Induktion entstehen würden.
   Es erklärt sich hierdurch vollständig die grosse Empfindlichkeit des Telephons gegen elektrische Störungen in den Leitungen, die seine Anwendung auf oberirdischen Leitungen sogar fast gänzlich ausschliesst, wenn an denselben Stangen sich Leitungen befinden, welche zu telegraphischer Korrespondenz benutzt werden [»Nebensprechen« – fj]. Selbst wenn man zwei benachbarte, an denselben Stangen befindliche Leitungen zur Bildung des Leitungskreises verwendet, wobei die von den entfernteren anderen Drähten ausgehende, elektrodynamische, wie elektrostatische Induktion sich zum grössten Theile kompensirt, hört man im Telephon doch jeden Strom, der durch einen dieser Drähte geht, als laut klatschendes Geräusch, welches die Telephonsprache ganz unverständlich macht, wenn es sich häufig wiederholt.
   Noch weit schlimmer sind diese Störungen, wenn man die Erde zur Schliessung des Leitungskreises benutzt. Selbst wenn man für den Telephondraht besondere Erdplatten nimmt oder eine Gas- oder Wasserleitung als solche benutzt, hört man deutlich jeden Strom, der durch benachbarte Erdplatten der Erde zugeführt wird. Da das elektrische Potential bei der Verbreitung eines Stromes im Erdboden mit den Kuben [dritten Potenz – fj] der Entfernung vom Zuleitungspunkte abnimmt, so beweist auch dies die ungemeine Empfindlichkeit des Telephons für schwache Ströme.
   Bei oberirdischer Drahtführung sind Telephone aus diesen Gründen nur zu verwenden, wenn besondere Gestänge [Masten – fj] für die Telephonleitungen verwendet werden. Ferner ist die Erdleitung nur an Orten zu benutzen, die keine Telegraphenstationen haben, oder wo die zum Telegraphiren benutztem Erdplatten weit entfernt von denjenigen sind, welche für die Telephonleitungen benutzt werden.
   Trotz dieser grossen Empfindlichkeit des Bell’schen Telephons überträgt es doch die Schallwellen, von denen seine Membran getroffen wird, nur sehr unvollständig auf die korrespondirende Membran und das derselben genäherte Ohr. Als der Schallöffnung eines nach Bell’s Angaben konstruirten, sehr empfindlichen Telephons eine laut tickende [p 358] Taschenuhr genähert wurde, konnte man das laute Ticken derselben im anderen Telephon nicht hören, selbst dann nicht, als die Uhr das Gehäuse des Telephons unmittelbar berührte. Das oben erwähnte Fadentelephon übertrug das Ticken dagegen durch einen ca. 20 m langen Faden noch sehr deutlich. Dasselbe war noch vernehmbar, wenn die Uhr 8 cm von der Mündung des cylindrischen Hörrohrs entfernt war. Direkt war das Ticken mit ungefähr gleicher Deutlichkeit noch auf 130 cm Entfernung hörbar, das Fadentelephon übertrug mithin etwa 1/260 der Schallstärke. Da das elektrische Telephon die leiseste Sprache noch verständlich übertrug, so musste es das tonlose, tickende, wenn auch lautere Geräusch der schnellen und unregelmässigen Schwingungen wegen, die es bilden, nicht mehr übermitteln können.
   Aus gleicher Ursache ist auch die eigentliche, ganz tonlose Flüsterstimme durch das elektrische Telephon nicht mehr vernehmbar, während sie durch das Fadentelephon auf 20 m Entfernung noch deutlich vernehmbar ist. Ebenso übertragen elektrische Telephone, welche die leiseste Sprache noch deutlich wiedergeben, den lauten, aber tonlosen Schlag zweier Eisenstücke oder Glasstücke gar nicht oder doch kaum merkbar.
   Auffallend ist es, dass das elektrische Telephon trotz dieser geringen Fähigkeit, die aus sehr schnellen und unregelmässigen Schwingungen bestehenden Geräusche zu übertragen, doch die Klangfarbe der Töne und Sprachlaute so treu wiedergiebt, dass man die Stimmen der Sprechenden fast ebenso gut durch das Telephon, wie direkt erkennen kann. Doch klingt die Stimme etwas klangreicher, was dem Umstande zuzuschreiben ist, dass die Töne besser und kräftiger reproducirt werden, als die Sprachgeräusche. Auch der Gesang klingt durch das Telephon in der Regel weicher und tonreicher als direkt.
   Um einen Anhalt dafür zu gewinnen, welcher Bruchtheil der Schallstärke, welche die Membran des einen Telephons trifft, von der des anderen wiedergegeben wird, stellte ich einige Versuche mit Spieldosen an. Die kleinere, welche kurze, scharfe Töne gab, war im Freien auf offener Fläche von guten 0hren noch in 125 m Entfernung hörbar, während man durch das Telephon nur noch einzelne Töne hörte, wenn das Telephon mehr als 0,2 m von der Spieldose entfernt wurde. Es wurde hier also nur ca. 1/390000 des Achalles wirklich übertragen. Ein etwas grösseres Spielwerk, welches weniger hoch gestimmt war und länger andauernde Töne gab, war im Freien nicht viel weiter zu hören, als die kleine Spieldose, aber das Telephon liess die gespielte Melodie noch in 1,2 m Entfernung erkennen. Es ergiebt dies eine Uebertragung von ca. 1/10000 der vom Telephon aufgenommenen Schallstärke. Wenn man nun auch die Sprachlaute, sowie tiefere und mehr getragene Töne, wahrscheinlich besser übertragen werden, als die Melodie der Spieldosen, so ist dich nicht anzunehmen, dass ein Bell’sches [p 359] Telephon im Durchschnitt mehr wie 1/10000 der Schallmasse, von der es getroffen wird, auf das andere Telephon überträgt.
   Es folgt aus dem Obrigen, dass das Bell’sche Telephon trotz seiner überraschenden Leistungen doch nur in sehr unvollkommener Wiese die Schallübertragung bewirkt.
   Dass wir die Sprache des durch so ungemein schwache Ströme erregten Telephons versthen, verdanken wir nur der ausserordentlichen Empfindlichkeit und den grossen Umfange unseres Hörorgans, welche dasselbe befähigen, den Schall des Kanonenschusses, den es noch in 5 m Entfernung erträgt, in einer Entfernung von 50 km noch zu hören, also Luftschwingungen noch innerhalb der 100 millionenfachen Stärke als Schall zu empfinden.
   Das Telephon ist hiernach der Verbesserung noch in hohem Grade fähig und bedürftig. Wenn es auch nicht möglich ist, den Schallverlust ganz zu beseitigen – was annähernd der Fall sein würde, wenn zu bewirken wäre, dass die Schwingungen der zweiten Membran diselbe Amplitude wie die der ersten erhielten – da bei den wiederholten Umformungen von Bewegungen und Kräften immer ein Verlust an lebendiger Kraft durch Umwandlung in Wärme stattfinden muss, so ist das vorhandene Missverhältniss doch viel zu gross. Mit der Verminderung dieses Verlustes und der dadurch erzielten Verstärkung des ankommenden Schalles würde aber erreicht werden, dass das Gehör weniger angestrengt zu werden brauchte und in grösserem Abstande vom Instrumente die übermittelten Laute noch deutlich vermehren und unterscheiden könnte. Es würden dann auch die durch fremde, schwache elektrische Ströme hervorgerufenen Störungen weniger störend empfunden werden, da sie von den ankommenden stärkeren Sprachlauten überdeckt würden.
   Es ist hierdurch auch die Richtung angegeben, welche zur Verbesserung des Bell’schen Telephons einzuschlagen ist.
   Um stärkere Ströme hervorzubringen, muss die zur Aufnahme der Schallwellen bestimmte Membran hinlänglich gross und so beschaffen sein, dass die ihre Fläche treffenden Schallwellen einen möglichst grossen Theil ihrer lebendigen Kraft auf sie übertragen können. Die Membran muss dabei hinlänglich beweglich sein, damit ihre Schwingungen nicht zu klein ausfallen, und die zur Hervorbringung der elektrischen Ströme aufgewandte Arbeit muss so gross sein, dass sie die Membranschwingungen aperiodisch macht. Eine Vergrösserung des Bell’schen Eisenblechs ist nur innerhalb sehr beschränkter Grenzen vortheilhaft, da grössere und entsprechend dickere Platten leicht Eigenschwingungen annehmen, welche die Deutlichkeit der übermittelten Laute vermindern. Auch die magnetische Anziehung der Eisenplatte [p 360] darf beim Bell’schen Telephon nicht zu hoch gesteigert werden, da dieselbe sonst zu sehr einseitig durchgebogen und gespannt wird, was ebenfalls die Deutlichkeit beeinträchtigt.
   Ich habe nun mit wesentlichem Erfolge versucht, die magnetische Anziehung zwischen der Eisenmembran und dem mit Draht umwundenen Magnetpole zu verstärken, ohne die erstere aus ihrer Gleichgewichtslage zu bringen, indem ich sie zwischen die Polenden eines kräftigen Hufeisenmagneten brachte.
   Der über dem Eisenblech befindliche Pol bildete einen Ring, dessen Oeffnung das ziemlich weite Schallloch bildete, während der untere Pol des Hufeisens der Mitte der Schallöffnung gegenüber den mit Drahtrolle versehenen Eisenstift trug. Die Membran selbst bestand nur in der Mitte aus Eisen, soweit sie dem ringförmigen Pol gegenüberstand, während der übrige Theil aus Messingblech, an welches das Eisen angelöthet wurde, hergestellt war. Durch die Einwirkung des magnetischen Eisenringes ward nun die Mitte des Eisenblechs selbst stark magnetisch, es fand also eine sehr verstärkte Anziehung zwischen demselben und dem entgegengesetzt magnetischen Eisenstift statt, während die von beiden Seiten gleich stark angezogene Eisenplatte mit der ganzen Membran im Gleichgewichtszustande blieb, also frei nach beiden Seiten hin schwingen konnte.
   Eine andere Modifikation bestand darin, dass ich beide Magnetpole ringförmig machte und mit kurzen, aufgeschnittenen Eisenröhren versah, die mit Windungen versehen wurden. Es standen jetzt der Eisenplatte zwei gleichartige, ringförmige Magnetpole gerade gegenüber, während diese selbst die entgegengesetzte Polarität hatte. Es ist dies dieselbe Kombination, welche ich bei sogenannten polarisirten Relais vielfach mit gutem Erfolg verwende, bei denen die bewegliche, stark magnetische Eisenzunge zwischen zwei entgegengesetzt magnetischen und gleich weit von derselben entfernten Magnetpolen, deren Enden mit Windungen versehen sind, sich befindet.
   Auch für telephonische Rufsignal-Apparate hat sich diese Anordnung bewährt. Befindet sich eine Stelle des Randes einer Stahlglocke, welche selbst an dem einen Pole eines Hufeisen-Magnetes befestigt ist, zwischen zwei mit Windungen versehenen Eisenstiften, welche den andren Pol des Hufeisen-Magneten bilden, so giebt eine zweite, gleich gestimmte und ähnlich eingerichtete Glocke jeden Glockenschlag an die andere mit überraschender Stärke wieder, wenn die Windungen beider in einem Leitungskreis eingeschaltet sind. Dasselbe gilt von gleich gestimmten Stimmgabeln.
   Anstatt zweier gleichgestimmter Glocken oder Stimmgabeln genügt es auch, wenn es sich nur um Uebertragung des Glockentons als Alarmsignal handelt, nur eine Glocke oder Stimmgabel in den Telephonkreis einzuschalten. Die Telefone geben dann laut tönende Glockenschläge. [p 361]
   Wenn auf diese Weise auch die Leistungsfähigkeit des Telephons bedeutend erhöht werden kann, so bleibt man doch bei Beibehaltung der Bell’schen Eisenmembran an ziemlich enge Grenzen gebunden, sowohl hinsichtlich der Grösse de den Schall aufnehmenden Membran, als der Stärke des wirksamen Magnetismus, deren Ueberschreitung die Sprachlaute undeutlich macht und ihnen einen fremden, unangenehmen Nebenklang giebt.
   Zur Konstruktion grösserer, weit kräftigerer Ströme liefernder Telephone benutze ich daher keine schwingende Eisenplatte, sondern befestige an der sie Schallwellen aufnhemenden Membran, die aus nicht magnetischem Material hergestellt ist, eine leichte Drahtrolle, welche frei in einem ringförmigen, stark magnetischen Felde schwebt. Durch die Schwingungen der Drahtrolle werden in derselben kräftige Ströme wechselnder Richtung inducirt, welche am anderen Ende der Leitung entweder die Drahtrolle eines ähnlichen Instrumentes, oder die Eisenmembran eines Bell’schen Telephons in ähnliche Schwingungen versetzen.
   Da man eine ebene Membran nicht über eine ziemlich enge Grenze hinaus vergrössern kann, ohne die übertragenen Sprachlaute zu verwirren, so habe ich auf Helmholtz’ Rath der Membran die Form des Trommelfelles des Ohres gegeben.
   Man erhält diese Form nach Helmholtz, wenn man eine feuchte Pergamenthaut oder Blase über den Rand eines Ringes spannt und ihre Mitte dann durch eine Schraube oder anderweitig bis zur gewünschten Tiefe allmählich niederdrückt. Im getrockneten Zustande behält die Membran dann diese Form bei. Bildet man darauf nach dieser Form ein Metallmodell, so kann man Metallmembranen aus Messing- oder besser Aluminiumblech mit Hülfe derselben drücken, welche genau dieselbe Form haben, wie die erstere. So geformte Membranen sind namentlich zur Aufnahme der Schallwellen und zur Uebertragung der lebendigen Kraft derselben auf in Schwingung zu setzende Massen – ein Zweck, den sie auch im Ohre zu erfüllen haben – besonders geeignet, da ihre Durchbiegung hauptsächlich in der Nähe des Randes der Membran erfolgt, während dieselbe bei der ebenen Membran mehr in der Nähe des Centrums stattfindet, bei ihr daher auch nur die die Mitte der Platte treffenden Schallwellen zur vollen Wirkung kommen. Ein solches Telephon mit einer Pergamentmembran von 20 cm Durchmesser, einer Drahtrolle voll 25 mm Durchmesser, 10 mm Höhe und 5 mm Dicke, in einem durch einen starken Elektromagnt erzeugten, kräftigen, magnetschen Felde, überträgt jeden in einem Zimmer von mässiger Grösse an beliebiger Stelle hervorgebrachten Laut mit voller Deutlichkeit auf eine grössere Zahl kleinerer Telephone. Bemerkenswerth ist dabei die grosse Reinheit und Klarheit, mit der das Telephon die Sprachlaute und Töne erzeugt. Es [p 362] kann dies zum Theil von der zweckmässigen Membranform, zum Theil aber auch davon herrühren, dass die Rolle bei der Verschiebung im cylindrischen, magnetischen Felde regelmässigere sinusoïde Ströme erzeugt, als eine schwingende Eisenplatte. Wird eine solche Drahtrolle vermittelst einer Kurbel mit langer Krummzapfenstange schnell auf und nieder bewegt, so kann man sich eines solchen Apparates mit Vortheil zur Erzeugung von kräftigen Sinus-Strömen bedienen.
   Zur Wiedergabe der Sprachlaute ist die Treommelfell-Membran-Form weniger gut geeignet. Es erscheint auch allgemein zweckmässiger, mit kräftigen, grösseren Instrumenten zu geben und mit kleineren, zarter und leichter konstruirten zu empfangen, wobei man das Instrument in die zweckmässigste Lage zum Ohre bringt.
   Zu kräftige Empfangsapparate haben den Nachtheil, dass die durch die Schwingungen ihrer Membran erzeugten Gegenströme die bewegenden Ströme schwächen und die sinusoïden Wellenzüge der inducirten Ströme verschieben, wodurch die Sprache undeutlich wird und fremde Klangfarben annimmt.
   Es ist überhaupt kaum anzunehmen, dass es gelingen wird, Telephone nach Bell’schem Princip, bei denen die Schallwellen selbst die Arbeit der Hervorbringung der zu ihrer Uebertragung erforderlichen Ströme zu leisten haben, in der Art herzustellen, dass sie eine in grösserer Entfernung vom Telephon deutlich vernehmbare Sprache reden, und ganz unmöglich ist es, wie schon hervorgehoben, zu erzielen, dass sie die Schallmasse, von der ihre Membran getroffen wird, ungeschwächt oder gar verstärkt reproduciren. Diese Möglichkeit ist aber nicht ausgeschlossen, wenn eine galvanische Kette zur Bewegung der Membran des Empfangsapparates benutzt wird, welche dann die aufzuwendende Arbeit leistet. Reis hat dies mit Hülfe von Kontakten, Edison mit Hülfe des Graphitpulvers, welches er in den Leitungskreis der Kette einschaltet, auszuführen versucht.
   Kontakte werden schwerlich hinreichend konstant und zuverlässig funktioniren, um die Sprachlaute rein wiedergeben zu können. Möglich ist es aber, dass die Aufgabe auf dem von Edison eingeschlagenen Wege gelöst wird. Es kommt dabei nur darauf an, ein Material oder eine Vorrichtung aufzufinden, mit deren Hülfe beträchtliche und der Schwingungsamplitude der Membran proportinale Aenderungen des Widerstandes des Leitungskreises hervorgebracht werden. Das Graphitpulver hat eine zu unbeständige Form und Beschaffenheit, um die Aufgabe mit Sicherheit erfüllen zu können. Versuche mit anderen Einrichtungen, welche ich angestellt habe, haben bisher kein befriedigendes Resultat gegeben. Dessen ungeachtet bleibt der Vorgang Edison’s sehr bemerkenswerth, da er möglicherweise den Schlüssel zu künftiger bedeutender Fortentwicklung der Telephonie bildet.
   Wenn aber hierdurch die telephonischen Instrumente auch der [p 368] weiteren Ausbildung innerhalb weiter Grenzen unterliegen, so werden die Leitungen doch immer den Anwendungskreis derselben ziemlich eng begrenzen. Auch wenn man, wie schon früher als nothwendig nachgewiesen ist, für Telephonleitungen besondere Gestänge verwendet, an denen sich keine Telegraphenleitungen befinden, und überall Doppelleitungen für die Telephone verwendet, so würde sich doch auch die Telephonkorrespondenz auf mehreren, an denselben Stangen befestig Leitungen bei zunehmender Länge der Leitungen bald gegenseitig stören, sowohl dadurch, dass durch. unvollkommene Isolation Zweigströme auf die benachbarten Leitungen übergehen, als auch dadurch, dass durch elektrodynamische und elektrostatische Induktion sekundäre Ströme in denselben hervorgerufen werden, welche verwirrende Laute erzeugen. Die elektrodynamische Induktion ist bei telegraphischen Leitungen in der Regel ganz zu vernachlässigen, da sie mit der Länge der Leitungen nicht zunimmt, wenn vom Widerstande der Umwindungsdrähte abgesehen wird, und da die Dauer der elektrodynamisch inducirten Ströme zu kurz ist, um die telegraphischen Instrumente beeinflussen zu können. Bei telephonischen Apparaten bringen die kurzen, durch Voltainduktion erzeugten Ströme aber schon sehr vernehmbare Laute hervor, wenn die Leitungen auch nur auf kurze Strecken neben einander herlaufen.
   Die sekundäre elektrostatische Induktion, welche mit den Quadraten der Länge der Leitung wächst, wird ferner auch hei längeren oberirdischen Leitungen bald eine Grenze der Anwendbarkeit des Telephons, selbst dann, wenn nur telephonische Leitungen an denselben Stangen befestigt sind, herbeiführen.
   Viel günstiger gestaltet sich in dieser Hinsicht das Verhältniss für das Telephon bei Anwendung unterirdischer oder unterseeischer Leitungen. Bevor ich erkannt hatte, dass die Stärke der Ströme, welche noch befähigt sind, das Telephon zur Hervorbringung deutlich verständlicher Sprachlaute zu erregen, so ausserordentlich klein ist, bezweifelte ich die Anwendbarkeit der unterirdischen Leitungen auf grössere Entfernungen wegen der grossen Schwächung, welche die durch schnellwechselnde elektromotorische Kräfte in den Leitungen hervorgerufenen Stromwellen mit der Länge der Leitung erleiden. Die Versuche, welche der Generalpostmeister Dr. Stephan, dem das deutsche Reich die Wiedereinführung der seit einem Vierteljahrhundert fast in Vergessenheit gekommenen unterirdischen Leitungen verdankt, mit Bell’schen Telephonen anstellen liess, gaben aber das überraschende Resultat, dass man mit denselben auf Entfernungen von ca. 60 km noch vollkommen deutlich und verständlich sprechen kann. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass man mit Telephonen verstärkter Wirkung auch noch auf die doppelte oder selbst dreifache Entfernung eine gute Verständigung erzielen wird. Dies dürfte allerdings die Entfernungsgrenze [p 364] innerhalb deren telephonische Korrespondenz überhaupt praktisch sein [also maximal 180 km – fj].
   Leider sind auch bei unterirdischen Leitungen Störungen durch Rückströme aus der Erde, sowie durch elektrodynamische und elektrostatische Induktion nicht ausgeschlossen. Die ersteren liessen sich, wie bei den oberirdischen Leitungen, durch Anwendung ganz metallischer. Leitungskreise, unter Ausschluss der Erde als Rückleiter, ziemlich vollständig beseitigen. Dasselbe gilt in dem Falle auch von den Störungen durch Induktion, wenn man die beiden, einen Telephonkreis bildenden isolirten Leiter zu einem besonderen, mit Eisendrähten umhüllten Kabel vereinigt. Wenn man dagegen, wie gewöhnlich der Kostenersparung wegen der Fall ist, eine grössere Zahl von isolirten Leitern zu einem Kabel vereinigt, so treten Volta- wie statische Induktion, des geringen Abstandes wegen, in verstärktem Maasse auf und wirken sehr störend auf die telephonische Korrespondenz ein. Diese sekundäre elektrostatische Induktion tritt auch bei langen Kabelleitungen für telegraphische Korrespondenz, bei welcher sehr empfindliche Apparate zur Verwendung kommen müssen, schon störend auf. Ich habe daher vorgeschlagen, zu ihrer Beseitigung die einzelnen, zu einem mehrdrähtigen Kabel vereinigten Leitungen mit einer leitenden metallischen Hülle, die mit der äusseren Eisenbespinnung bez. dem Erdboden in leitender Verbindung steht, zu versehen [»Abschirmung« – fj]. Schon eine Umhüllung der einzelnen isolirten Leitungen mit einer dünnen Stanniolschicht beseitigt die sekundäre elektrostatische Induktion vollständig. Man kann sich hiervon leicht durch das Experiment überzeugen, wenn man zwei auf beiden Seiten mit Stanniol beklebte Glimmer- oder dünne Guttapercha-Platten auf einander legt. Isolirt man die inneren Belegungen und prüft die Ladung zwischen den äusseren Belegungen durch den Ausschlag eines Galvanometers, indem man den freien Pol einer abgeleiteten Batterie mit der einen äusseren Belegung verbindet, während man die zweite durch den Galvanometerdraht mit der Erde verbindet oder in ähnlicher Weise mit Hülfe der Wippe, so erhält man eine ebenso grosse Ladung, als wenn die mittleren Belegungen ganz fehlten. Verbindet man die letzteren dagegen mit der Erde, so erhält man keine Spur von sekundärer Ladung in der mit dem Galvanometer verbundenen Stanniolbelegung.
   Dasselbe negative Resultat erhält man, wenn man die einzelnen isolirten Leiter eines aus eines aus mehreren Leitern bestehenden Kabels der ganzen Länge nach dicht mit Stanniol oder dünnen Blechstreifen aus einem beliebigen Metall umwickelt hat. Die metallische, wenn auch sehr dünne, leitende Hülle verhindert vollständig jede sekundäre elektrostatische Induktion oder Ladung eines Leiters durch die Ladung eines anderen. Dagegen wird die elektrodynamische Induktion der [p 365] Drähte auf einander dadurch nicht aufgehoben, wie Foucault behauptete. 1)
   Man kann sich hiervon ebenfalls leicht durch einen einfachen Versuch überzeugen.
   Wenn man zwei mit Guttapercha oder Kautschuk isolirte Drähte zusammen auf eine Rolle aufwickelt, so sind in dem einen Drahte kräftige Ladungs-, sowie Volta-Induktionsströme zu beobachten, wenn durch den anderen eine galvanische Kette abwechselnd geschlossen und geöffnet wird. Stellt man die Rolle nun in ein Gefäss und füllt dasselbe nach und nach mit Wasser, so vermindern sich die Ladungsströme im ersteren Drahte und hören ganz auf; wenn das Wasser die Zwischenräume zwischen den Drähten vollständig ausgefüllt hat, wogegen die elektrodynamisch inducirten Ströme sogar etwas stärker werden.
   Für Telegraphenleitungen sind diese elektrodynamisch inducirten Ströme, wie schon hervorgehoben, ohne Bedeutung, da sie mit der Länge der Leitung nicht zunehmen; das so äusserst empfindliche Telephon wird jedoch durch dieselben noch erregt, wenn die inducirenden Ströme nicht ausserordentlich schwach sind. Man wird daher für Telephone auch besondere Kabelleitungen anlegen müssen, so wie sie besonderer Gestänge bei oberirdischer Drahtführung bedürfen.
   Wie sich aus dem Obigen ergiebt, ist das Telephon noch wesentlicher Verbesserung fähig. Es werden zuverlässig in kurzer Zeit Telephone hergestellt werden, welche die Sprache, sowie musikalische Töne unvergleichlich lauter, deutlicher und reiner auf mässige Entfernungen hin übertragen, als es durch das Bell’sche Telephon bisher geschieht.
Das Telephon wird dann für den Verkehr in Städten und zwischen benachbarten Ortschaften grosse Dienste leisten, die weit über das hinausgehen, was der Telegraph für kurze Entfernungen zu leisten vermag. Das Telephon ist ein elektrisches Sprachrohr, welches ebenso wie dieses von Jedermann gehandhabt werden und die persönliche Besprechung vollständig ersetzen kann. Aber, wie es auf ganz kurze Entfernungen das Sprachrohr nie verdrängen wird, ebenso wenig wird es je für grössere Entfernungen den Telegraphen ersetzen können. Doch auch in dem so beschränkten Kreise seiner Anwendbarkeit wird es bald zu den wichtigsten Trägern moderner Kultur gezählt werden, wenn nicht äussere Hindernisse seiner Entwickelung und Anwendung entgegentreten.

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1) Foucault nahm am 2. Juli 1869 in England ein Patent auf Umhüllung der einzelnen Leiter mit Stanniol oder anderen leitenden Körpern mit mit dem ausgesprochenen Zwecke, die elektrodynamische Induktion durch die in der Zinnhülle entstehenden Gegenströme zu kompensiren.

–––––––––––––––––– soweit das Original

*) Ernst Werner Siemens, geboren am 13. Dezember 1816 auf Gut Lenthe bei Hannover, gestorben am 6. Dezember 1892 in Berlin.

–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––Werner Siemens, Über Telephonie. Aus Wissenschaftliche und technische Arbeiten von Werner Siemens, 2. Band: Technische Arbeiten, 2. Auflage, Berlin Verlag von Julius Springer 1891 (der 1. Band ist von 1889) mit 204 in den Text gedruckten Abbildungen. Seiten 353 bis 365.

Der Text wurde mit 5 Mio. Pixel abphotographiert, weil alte Bücher nicht auf den Scanner gedrückt werden dürfen. [Meine Bilder Siemens\UeberTelB und …W(1).jpg bis … (14).jpg – Fritz@Joern.De, Sommer 2005]

Siehe auch aus dem selben Band in www.Joern.De/SieIndoTel.htm:

Das automatische Telegraphensystem für die Russischen Staatstelegraphen.

Das für die Indo-Europäische Linie bestimmte automatische Telegraphensystem.

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