Wie der Gabriel-Chip zu seiner wundersamen Wirkung kommt.

Das österreichische Patent AT 409 930 B über eine
»Anordnung und [ein] Verfahren zur Beeinflussung von metallischen oder Metallpulver oder Metallpigmente enthaltenden Folien beziehungsweise Blättchen«
von Franz Gabriel und Gabriele Gruber aus Hallein im Bundesland Salzburg – eher bekannt durch Franz Xaver Gruber (1787—1863), dem Komponisten der Stillen Nacht.

Patent AT 409 930 B, Auszug

An den Erd- oder Nullleiter einer Steckdose (oder an eine Phase, dann aber nicht so richtig, sonst funkts) werden zwei Dinge angeschlossen: erstens eine Spule (Nummer 1 im Bild) und zweitens eine Leitung (3') zur künftigen Gabriel-Folie (17).
   Die kernfreie Spule muss natürlich »rechtsgängig gewickelt« sein. Am anderen Ende (2) ist sie mit einem Mauerdübel (13) so gut wie geerdet. Strom kann da keiner fließen, also dürfen sich »benachbarte Windungen der Wicklung« ruhig berühren, Hauptsache, der Draht ist nicht kunststoffisoliert. Das Patent sagt noch viel mehr über diese wundersame Spule. Ihr Widerstand soll »5 bis 150 Ohm, vorzugsweise 10 bis 80 Ohm, insbesondere 10 bis 30 Ohm betragen«. Ist ihr »60 bis 210 mm, vorzugsweise 70 bis 180 mm, insbesondere 80 bis 160 mm« langer Draht verzinnt oder gar vergoldet, so arbeiten nachher die Gabriel-Folien mit verbessertem Effekt. Für uns ist die Spule ein paralleler Pseudostromkreis ohne Strom, für Franz Gabriel ein eigenes Patent (AT 397 346 B) »zur Abschirmung von beziehungsweise zum Schutz vor Erdstrahlen oder ähnlicher auf Organismen einwirkender Strahlung«. Dessen Erfindungshöhe leitet er wohl aus dem schweizer Patent CH 671 338 ab, einem Schutzgerät gegen »geopathische Strahlungen«, »das eine Spule aus Kupferdraht umfasst, deren beide Enden kurzgeschlossen sind und gemeinsam mit einer Erdleitung des Stromversorgungssystems verbunden sind. Die Wirkung dieses Geräts ist nicht optimal.« Das wollen wir bei allen diesen stromlosen Spulen gerne glauben und kommen endlich zur eigentlichen Gabriel-Folie:
   Die gute österreichische Hausstromnetzerde ist, wie gesagt, über den in der Patentzeichnung strichliert gezeichneten Draht (3') mit der Klemmvorrichtung (21) für die Folien verbunden. Die dürfen 5 cm breit und bis zu 1,5 m lang sein, denn die bis zu 8 cm breiten und 4 cm langen Chips werden ja hernach daraus zurechtgeschnitten. Das andere Ende der Folie ist wieder eingeklemmt (23) – das dürfen Krokodilklemmen sein – und über eine Leitung (26) mit einem Metallteller (18) verbunden. Dort endet der Strom, der keiner ist, jedenfalls kein elektrischer, denn wo sollte er denn bleiben? Ein Stromkreis ist das ja nicht; auf dem Teller steht nur ein »Behälter (20), vorzugsweise eine Glasflasche« – bekanntlich isolierend – mit »zumindest 200 ml, vorzugsweise zumindest 500 ml, von Radiästheten als rechtsdrehend bezeichnetem Wasser«. Ob Blumen in der Flasche stecken oder gar Goldfische im Glas (rechts herum) schwimmen dürfen, bleibt offen, auch wie lange das Wasser wirkt. Die Folie braucht jedenfalls nur »3 Stunden, vorzugsweise 4 bis 5 Stunden« so eingeklemmt zu bleiben – fertig ist ihre Wirkung zur Abschirmung von Störstrahlung.
   Gewiss, denn »unter dem Begriff Störstrahlung werden im vorliegenden Fall vor allem physikalisch nicht einwandfrei messbare, allenfalls biologische Effekte bewirkende Strahlungen verstanden, so zum Beispiel die Ausstrahlungen von Wasseradern, von Stromleitungen, elektrischen und elektronischen Einrichtungen, Geräten und Maschinen, von geodätischen Reizzonen sowie alle weiteren von Radiästheten feststellbaren Strahlungen.« Dem leider nur physikalisch Denkenden bleibt hier also mehr verborgen als die Störstrahlung und ihre relative Minderung durch Gabriel – sonst dem Schutzheiligen aller Fernmelde- und Nachrichtendienste, Markensammler und Boten und einem Hoffnungsheiligen ehelich Unfruchtbarer.
   Soweit, so effektvoll – und dabei so sparsam beim Stromverbrauch (0 Watt)! Der nicht spiritistisch Gebildete mag sich fragen, wer denn diese »Radiästheten« sind und was ihr »rechtsdrehendes« Wasser? Die süddeutsche Vermutung, ersterer sein ein biergartenfreudiger Rettichliebhaber, ist falsch. Er müsste eigentlich Radii-Ästhet heißen, denn er sieht sich als Sehender (also wohl griechisch Ästhet) von (römischen) Strahlen. Radiare heißt lateinisch strahlen, Radii sind dann vermutlich Strahlen – oder Stäbe. Denn mit einem Radiästheten ist meist ein Wünschelrutengänger gemeint.
   Bleibt noch rechtsdrehendes Wasser: »Rechtsdrehendes Wasser kommt in der Natur vor und kann von Rutengängern beziehungsweise Radiästheten eindeutig identifiziert werden« – das weiß die obige Patentschrift. Physikalisch oder chemisch lässt sich rechtsdrehendes Wasser nicht nachweisen. Die Eigenschaft ist – falls es sie gibt – so subjektiv wie die von Weihwasser. Auch mit der auf der Nordhalbkugel nach rechts wirkenden Corioliskraft und den deshalb wie Tiefdruckgebiete angeblich immer linksherumdrehenden Badewannenstrudeln hat das nichts zu tun. Zum Ausgleich gibt es im Internet zahlreiche rechtsdrehende Gewässer, auf einer Geomantie-Seite sogar eine Anleitung zur »Umpolarisierung von Leitungswasser«. Die ist so aufschlussreich, dass wir uns erlauben, sie hier kurz zu zitieren:
1. An einem Wasserhahn wird etwas kaltes Wasser entnommen und ein Tropfen davon in das Röhrchen gegeben.
2. Dann wird das Röhrchen mit 9 Tropfen des guten Wassers aufgefüllt. Nach homöopathischer Vorschrift nimmt man es in die Faust, hält es zu und ›potenziert‹ es mit 10 leichten Schlägen der Faust gegen einen mittelweichen Gegenstand (Telefonbuch, Lederkissen). Auf diese Weise ist eine homöopathische Potenz ›D1‹ hergestellt.
3. Das Röhrchen wird nun bis auf einen Resttropfen entleert und anschließend wieder mit 9 Tropfen des guten Wassers aufgefüllt. Nach einer erneuten Behandlung nach Schritt 2 erhält man nun die Potenz ›D2‹.
4. Das beschriebene Verfahren wiederholt man so oft, bis die gewünschte Potenz erreicht ist. Allgemein bewährt hat sich ›D6‹.
5. Nach Abschluss dieser Behandlung wird das Röhrchen in einem möglichst lichtgeschützten Bereich an dem Zuleitungsrohr ›Kaltwasser‹ des oben genannten Auslaufhahnes befestigt. Bei einer Küchenspüle kann dies vorzugsweise im Unterschrank dicht unterhalb der Durchführung durch die Arbeitsplatte geschehen. Wir empfehlen, das Röhrchen parallel zur Leitungsführung mit Seiden- oder Wollfaden festzubinden.
6. Indem man dem fertig potenzierten Röhrchen Schwingungsinformation in Form von etwas Erde eines besonderen Platzes zugibt, kann das Wasser weiter aufgewertet werden.
7. Der Erfolg dieser Maßnahme sollte mit Pendel oder Rute nachprüfbar sein. Kaltes Wasser müsste auch noch nach ca. 15 Minuten statt vorher linksdrehend nun als rechtsdrehend getestet werden.
Soweit Dipl.-Ing. Hartmut Lüdeling
(denn zitieren darf der Journalist), und soviel zur Geschichte, wie der Gabriel-Chip ganz patentiert zu seiner Wirkung kommt, freilich salve errore et omissione.
   Links
»Der Gabriel-Chip« im Juni-Newsletter der Forschungsgemeinschaft Funk, Seite 42—46
Herstellung des Gabriel-Chips (leider ist die Site inzwischen passwortgeschützt, hier alte, noch offene Auftritte)
»Der Gabriel-Chip macht Mobilfunkstrahlung unschädlich.« (Sie ist es schon!)
»Humbug fürs Handy« aus der Zeit, angeregt scheints durch:
»Humbug auf hoher Ebene«, FAZ-Artikel.
»Der Gabriel-Chip – Innovation oder Betrug« (Original abgeschaltet) von Ralf W. Beck
Ein »preiswerteres« Konkurrenzprodukt
Der Bundesverband Verbraucherinitiative im Forum Elektrosmog: Der Gabriel-Chip ist unseriös.
Manfred Lindinger: Wasser ist höchst vergeßlich (FAZ)
Eine Diskussion um rechtsdrehenes Wasser
Wasserbeleber und andere Rechtsdreher, käuflich
Noch besser: »Granderwasser« mit seinen Urinformationen (nicht Urin-Formationen), 12,60 Euro/l, dazu eine Würdigung »Wunder oder Wucher?« von Dr. Erich Eder, Wien
Allerlei Wasserbücher
Rechtsdrehenes Wasser ohne Kohlensäure, 2 Euro der Liter (ein Link ohne Wiederkehr), zuhause , im Urlaub, sogar äußerst stark rechtsdrehend
Mehr über Gabriel (den echten!)
Allgemein Nachdenkenswertes über Entstörgeräte
Reinhold Berz: Krank durch Mobilfunk?
Fritz Jörn: Strahlung im Mobilfunk
Außergewöhnliches bei Ralf Wölfles Elektrosmoginfo
Mobilfunk ohne Radiowellen?
»Links-Rechts, Linkshänder in einer rechten Welt« – ein wirklich schönes Buch von Andrea Scholtz
Kostenlose Patentsuche (nur Titelblatt): http://depatisnet.dpma.de, deutsche Fahne, Einsteigerrecherche, dann in der Suchanfrage im ersten Feld der Veröffentlichungsnummer aus dem Klappmenü z. B. AT wählen, im breiten Feld die Patentnummer ohne Leerstelle eingeben, z. B. 409930 oder 397346, und schon die »Recherche starten«, anschließend PDF-Datei anzeigen lassen.

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P.S.
   »Die Begriffe links- und rechtsdrehend gibt es tatsächlich: Sie beziehen sich auf das Verhalten von polarisiertem Licht, wenn es durch eine wässrige Lösung einer optisch aktiven chemischen Verbindung in der Schwingungsrichtung gedreht wird. Solche Moleküle bezeichnet man als „chiral“, vom griechischen Wort für „Hand“, d.h. es gibt eine linkshändige und eine spiegelverkehrte rechtshändig gebaute Version der gleichen Substanz, die sich nicht in ihrer chemischen Formel, aber im räumlichen Bau unterscheiden. Solche Moleküle sind beispielsweise alle Zucker, die meisten Aminosäuren oder Milchsäure. Tatsächlich ist z.B. nur die rechtsdrehende Milchsäure biologisch verwertbar. Rechtsdrehend ist also „gut“, das können Millionen Konsumenten auf der Rückseite jedes Joghurtbechers ablesen. Wasser ist aber nicht optisch aktiv und kann daher gar nicht als rechts- oder linksdrehend bezeichnet werden«, schreibt Dr. Erich Eder hier.
   Meyers Großes Konversationslexikon bemerkte schon 1905 zur »Händigkeit« von Molekülen: »Reines Dextrin gleicht im Äußern dem arabischen Gummi, ist amorph, farb-, geruch- und geschmacklos, leicht löslich in kaltem Wasser, etwas löslich in schwachem Weingeist, nicht in Alkohol und wird daher aus der wässerigen Lösung durch Alkohol gefällt. Es lenkt die Ebene des polarisierten Lichts stark nach rechts (dexter). Durch Jod wird es schwach amarantrot gefärbt, verdünnte Säuren verwandeln es in Traubenzucker (Dextrose).« [Lexikon: Dextrin, S. 3. Digitale Bibliothek Band 100: Meyers Großes Konversations-Lexikon, S. 41805 (vgl. Meyer Bd. 4, S. 855)]. Hier die entsprechende Eintragung von 1888. – Da handelt es sich aber nicht um Wasser sondern um Traubenzucker (D-Glucose = Dextrose = Traubenzucker), eine »Hexose«, ui! Lateinisch ist dexter rechts, und die Hexose hat sechs (gleich griechisch hexa, nur lateinisch sex) Kohlenstoffatome.