Sprach-Tipp (ein wenig melancholisch ...)

... zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf.

ad Deum, qui laetificat juventutem meam

Zum Altare Gottes will ich treten,
zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf.

So begann die hl. Messe, vor der Liturgiereform (1969—1975). So wurde sie »gelesen«, so haben wir sie als Kinder »gehört«. Dieses Stufengebet ist heute entfallen, der Altar steht im Raum, der Priester im Publikum – sofern noch welches kommt.

Auch die Übersetzung des ad Deum, qui lætificat juventutem meam ist anders geworden, lockerer und dabei wohl präziser. Zunächst hieß es: zu Gott, der mich erfreut von Jugend an (statt auf), dann der meine Jugend erfreut, auch einfach zum Gott meiner Freude. Über das Internet – wie sonst? – habe ich eine vatikanische Deutung gefunden:
   Jetzt wird alles Gesang, Freude, Fest (vgl. V. 4). Im hebräischen Original ist die Rede vom »Gott der Freude meines Jubels«. Es handelt sich um eine semitische Redewendung, die den Superlativ ausdrückt: Der Psalmist will unterstreichen, daß der Herr der Urheber aller Freude ist, die höchste Freude, die Fülle des Friedens. Die griechische Übersetzung der Septuaginta hat offenbar einen gleichbedeutenden aramäischen Ausdruck zu Hilfe genommen, der die Jugend bezeichnet, und hat übersetzt: »zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf«, so daß man hier an die Frische und Intensität der Freude denkt, die der Herr schenkt. Der lateinische Psalter der Vulgata, einer Übersetzung aus dem Griechischen, lautet: »Ad Deum qui laetificat juventutem meam.« Früher wurde der Psalm in dieser Form in der Eucharistiefeier an den Altarstufen als einführendes Gebet vor der Begegnung mit dem Herrn gebetet.
– Die Jugend im Psalm ist also eher eine Blume, die ihn erfrischt, als wörtlich zu nehmen.

Bilder, auch sprachliche

Niemandem würde einfallen, ein altes Bild alle paar Jahre auf den neuesten Stand zu bringen. Die Figuren in Leonardos Abendmahl bekommen ihre Bärte nicht rasiert oder ihre Kleider gewechselt, das Dornröschenschloss wird nicht zum Parkhaus. Meine Bitte: Lassen Sie alte Bilder stehen. Lassen Sie sie genauso stehen, wie sie überliefert sind. Wie schön klingt der alte Dativ, noch mit dem ausklingenden e: zum Altare, statt nur zum Altar. Moderne Sprache schleift sich ab, das ist eine gute, vernünftige Entwicklung. Gerade deshalb erzielt man mit alten Bildern, ja gelegentlich mit alter Sprache nachdenkliche Effekte, Aufmerksamkeit, einen verzögernden Moment, Retardierung. Versuchen Sie’s mal.

Psalm 43,4 (früher wohl Nummer 42)
Zu Gedanken über »billig und heilsam«
Zu meinem Tipp »Gehobene Sprache und die Bibel« (Stichwort »Scheffel«)
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Das Bildzitat habe ich aus meinem Schott, »Das Meßbuch der heiligen Kirche«, Seite 380, Herder-Verlag 1953, gemacht.

Hier nun Kommentare und Überlegungen eines treuen Lesers, Dr. Bernhard Betz, (in alter Rechtschreibung ...):
   Als evangelischer Christ klingt mir die Weihnachtsgeschichte nach Luthers Übersetzung immer noch am schönsten, obwohl mein katholische Frau sie lieber nach der Einheitsübersetzung hört:
· Luther (schon revidiert): Es begab sich aber zu der Zeit, daß ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, daß alle Welt geschätzet würde.
· Einheitsübersetzung: In jenen Tagen erließ Kaiser Augustus den Befehl, alle Bewohner des Reiches in Steuerlisten einzutragen.
   Was klingt?
   Nun aber zu Ihrem Tip:
Es ist das Problem aller Übersetzungen, daß sie auch immer Interpretationen sind. Ich habe mir das Vergnügen gemacht nachzusehen, was wirklich hinter der »Jugend« in Psalm 43,4 steckt: Nichts!
   Die griechische Übersetzung war schon ein Fehler oder wahrscheinlich damals ein gerade noch zeitgemäßer, angepaßter Ausdruck. Der Hl. Hieronymus hatte schon im Urtext nachgesehen und richtig übersetzt: ad Deum laetitiae et exultationis meae und keineswegs Ad Deum qui laetificat juventutem meam. Letzteres hat er wohl in einer zweiten Version nur gelassen, um das Gewohnte nicht allzu sehr umzustoßen. (Es gibt zwei Vulgata-Versionen, eine für die Liturgie und eine für Studienzwecke!) Sie sehen, daraus, daß Ihre Bitte »Lassen Sie alte Bilder stehen« von Hieronymus für die Liturgie noch erfüllt wurde. Für Studienzwecke, um der Wahrheit näher zu kommen, wurde der Fehler getilgt. Die Kirche hat einen langen Atem, soll sie auch haben, aber nach 1600 Jahren war es wohl an der Zeit, mit der Jugend aufzuräumen.
   Liturgische Sprache muß klingen, ästhetisch passen und wahr sein. Die alte Form klang, war aber falsch, die neue Form (zum Gott meiner Freude) klingt weniger und ist nur die halbe Wahrheit.
   Im Urtext gibt es zwei Begriffe (Nominative), die in einem Genitivverhältnis zueinander stehen und beide Freude oder Jubel bedeuten; also soll Freude durch den Jubel gesteigert werden oder umgekehrt. Nun haben sich die Übersetzer daran gemacht, Steigerungsformen im Deutschen zu finden: von der unbeholfenen »Jubelfreude« über ein seltsames »der Freude meiner Lust«, Luthers klingendem »Freude und Wonne«, Bubers korrektem »jauchzender Freude« bis zur korrekten Anmerkung in der Einheitsbibel, aber doch auch holprig »der Freude meines Jubels«.
   Auch im Englischen wird in den zehn greifbaren Übersetzungen (
http://www.blueletterbible.org/tmp_dir/versions/1136977984-748.html#4) in sieben der Ausdruck exceeding joy verwendet, von 1611 (King James) bis 2000 (HNV). Die drei Abweichler sind: 1996 the source of all my joy, 1898 the joy of my rejoicing und 1890 the gladness of my joy.
   Und bevor Sie sich den deutschen Übersetzungsversuchen zuwenden, will ich noch auf etwas hinweisen: In den acht englischen Versionen spielt David die »harp«, in zweien die »lyre«. In den deutschen Varianten kann er noch viel mehr: Zither, Harfe, Laute, Leier. David hat tatsächlich auf der Kinnor gespielt, die die griechischen Übersetzer mit »cithara« übersetzten. Hieronymus und auch die vatikanischen Bearbeiter in der Vulgata nova wußten es nicht besser. Die Kithara gehört wie die Kinnor zu den Leiern, Harfen gehören nicht dazu. An der Wahl des Instrumentes läßt sich somit sehr gut die Notwendigkeit der Interpretation in einer Übersetzung zeigen. Für den liturgischen Gebrauch wird man auf ein Instrument zurückgreifen, das ein jeder kennt. Vielleicht wird in kommender Zeit ein Übersetzer zum »keyboard« greifen müssen? ;-)

Zu den Übersetzungen:

Hamp/Stenzel (katholisch):
So will ich zum Altare Gottes treten, zum Gott meiner jubelnden Freude. Auf der Harfe will ich dich priesen, Herr, mein Gott.

Elberfelder revidiert:
So werde ich kommen zum Altar Gottes, zum Gott meiner Jubelfreude, und werde dich preisen auf der Zither, Gott, mein Gott!

Elberfelder 1905:
So werde ich kommen zum Altar Gottes, zu dem Gott, {El} der meine Jubelfreude ist, und werde dich preisen mit der Laute, Gott, mein Gott!

Scofield
So werde ich kommen zum Altar Gottes, / zum Gott meiner Jubelfreude, / und werde dich preisen auf der Zither[a], Gott, mein Gott!

Einheitsübersetzung
So will ich zum Altar Gottes treten, zum Gott meiner Freude. / Jauchzend will ich dich auf der Harfe loben, / Gott, mein Gott.[Text korr.; H: zum Gott der Freude meines Jubels].

Luther:
... daß ich hineingehe zum Altar Gottes, zu dem Gott, der meine Freude und Wonne ist, und dir, Gott, auf der Harfe danke, mein Gott.

Herz Tur-Sinai (jüdisch):
Dann komme ich zu Gottes Altar, zum Gott der Freude meiner Lust und huldige mit Harfenklang dir, o Gott, mein Gott.

Buber (jüdisch)
... daß ich zu Gottes Opferstatt komme, zum Gottherr meiner jauchzenden Freude und Dank sage dir auf der Leier, Gott, mein Gott

King James:
Then will I go unto the altar of God, unto God my exceeding joy: yea, upon the harp will I praise thee, O God my God.

Der Urtext, beide Substantive stehen von rechts nach links hintereinander. Ich habe dazu die englischen Bedeutungen nach Strongs Wörterbuch kopiert:
שמחה – simchah {sim-khaw'} 1) joy, mirth, gladness a) mirth, gladness, joy, gaiety, pleasure b) joy (of God) c) glad result, happy issue
גיל – giyl {gheel} 1) a rejoicing 2) a circle, age

Vulgata, 405 AD Vulgate 42:4:
et introibo ad altare tuum ad Deum laetitiae et exultationis meae et confitebor tibi in cithara Deus Deus meus

Aus
Wikipedia:
   Unter
Papst Damasus I. begann Hieronymus 383 eine Revision der schon vorhandenen neutestamentlichen Texte und wandte sich ab 390 der Übersetzung des Alten Testaments zu - nicht wie die meisten anderen frühchristlichen Bibelübersetzungen aus der griechischen Septuaginta, sondern aus dem hebräischen Urtext. Im Falle der Psalmen erstellte er zwei Versionen, eine Überarbeitung des Vetus-Latina-Textes (zum Gottesdienstgebrauch, damit die Liturgie nicht so stark verändert werden musste) und eine komplette Neuübersetzung aus dem Hebräischen (vor allem für Studienzwecke).

Übrigens: »Zuerst war das Wort da!«hier die FAZ-Rezension (noch in neuer Rechtschreibung!) der Bibel-Übersetzung von Klaus Berger und Christiane Nord